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asgl
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Pädophilie mit weiblichem Antlitz

Beitrag von asgl »

Dieser Versuch einer literarischen Provokation geht gehörig in die Hose. So ließe sich über Alissa Nuttings Debutroman „Tampa“ kalauern. Und über den Nachnamen der Autorin ließen sich – wo wir schon einmal dabei sind - sicher auch ein paar Wortspielchen betreiben. Nun darf man den marktschreierischen Anpreisungen auf den Klappentexten von Büchern nicht auf den Leim gehen. Doch das Vice Magazine trägt dann doch etwas zu dick auf: „American Psycho und Lolita – wer Tampa gelesen hat, muss seine Weltsicht neu überdenken“.

Nein, liebe Leser, Ihre Weltsicht müssen Sie nicht ändern – falls Sie überhaupt die rund 280 Seiten durchgehalten haben. Die Autorin, die Englische Literatur und Kreatives Schreiben in Ohio lehrt, reiht Sexszene an Sexszene. Schaut man sich die einschlägigen Regalmeter in unseren Buchhandelsketten, die immer mehr zu Supermärkten degenieren, an, dann fügt sich dieses Werk bestens ein in ähnliche „Aufreger“ wie „Shades of Grey“ oder „Die Juliette Society“ des ehemaligen amerikanischen Pornosternchens Sasha Grey.

Worum geht es? Eine knackige junge Lehrerin, mit einem reichen Polizisten aus vermögendem Hause verheiratet, verführt minderjährige Jungs. Und wenn der Vater eines der Knaben plötzlich vor der Tür steht, wird auch er ran genommen. Kein Wunder, dass dieser dann passenderweise durch einen Herzinfarkt dahingerafft wird.

Nuttings erzählerisches Talent lässt den Puls des Lesers jedenfalls nicht rasen. Dabei hätten man aus den beiden Hauptthemen des Romans sogar etwas machen können. Nutting kritisiert und karikiert den Jugendwahn, der nicht nur in den USA allgegenwärtig ist. Die schöne Hauptfigur Celeste Price stemmt sich mit allen verfügbaren Mitteln – Sport, Ernährung, Botox etc. – gegen den eigenen körperlichen Verfall, der spätestens mit 40 einsetzen wird. Noch ist sie Ende 20 – und zu ihrem Anti-Aging-Programm gehört eben auch, 14-jährige Schüler zu vernaschen, bevor sie zu Männern werden.

Hierind wir beim zweiten Punkt. In den Medien wird viel über den sexuellen Missbrauch von Männern an kleinen Jungen oder Jugendlichen geschrieben. Der sexuelle Missbrauch von Frauen an diesen Personengruppen bleibt aber weitestgehend ein Tabu. Hin und wieder taucht so ein Fall mal in den Medien auf, doch in unseren immer stärker von Gender-Ideologien und feministischer Attitüde beherrschten westlichen Welt gibt es eben keine weiblichen KriegsverbrechInnen, FaschistInnen oder auch weibliche Pädophile.

Dieser Thematik hätte sich die Autorin stärker annehmen müssen. Dann hätte sie wirklich provoziert und an ein Tabu gerüttelt. So lullt sie die Leser mit einer „Endlosschleife der Erregung“ (Der Spiegel) ein und zielt dabei wohl eher auf die Onanisten als die kritischen Geister unter den Käufern literarischer Neuerscheinungen.

Alissa Nutting: Tampa. Verlag Hoffmann und Campe: Hamburg 2014. 287 Seiten, 19,99 Euro.
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