Wer einmalig als Beschuldigter geführt wird, muss sich auf Anordnung nackt machen. Widerspruch ist ziemlich Aussichtslos. Es is trivial ob eine Anklage erhoben wird bzw. das Verfahren eingestellt wird. Die StPO bleibt aussen vor. Die Landespolizeigesetze sind entscheidend.Die Staatsanwaltschaft stellt das Verfahren gegen einen Beschuldigten mangels Tatverdachts ein. Doch die Polizei besteht darauf, dass der Betroffene sich erkennungsdienstlich behandeln lässt (Fotos, Fingerabdrücke etc.) und die Daten in den Fahndungscomputern gespeichert werden. Das klingt erst mal paradox. Aber im Verwaltungsrecht ist vieles möglich – unter anderem genau das.
So stellt das Oberverwaltungsgericht Koblenz jetzt erneut fest, dass ein hinreichender Tatverdacht, der für eine Anklageerhebung erforderlich ist, nicht mit dem sogenannten „Restverdacht“ verwechselt werden darf.
Der Restverdacht, bei dem eine erkennungsdienstliche Behandlung erfolgen darf, fällt nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts deutlich niedriger aus. Es genügt nach dem aktuellen Urteil, wenn der festgestellte Sachverhalt nach kriminalistischer Erfahrung Anhaltspunkte bietet, dass der Betroffene künftig mit guten Gründen in den Kreis potentieller Beteiligter an einer noch aufzuklärenden Straftat einbezogen werden könnte. Außerdem muss zu erwarten sein, dass die erkennungsdienstlichen Unterlagen bei der Aufklärung helfen können.
(Aktenzeichen 7 A 10084/18 OVG und 7 A 10256/18 OVG).Jeder Betroffene kann ohnehin gegen so eine Anordnung klagen. Übrigens hat so eine Klage zumindest aufschiebende Wirkung. Das heißt, bis zur Entscheidung des Gerichts muss die ED-Behandlung dann warten. Da die meisten Verwaltungsgerichte selbst für kleinste Verfahren ein bis zwei Jahre benötigen, ist das also selbst dann eine Option, wenn die Erfolgsaussichten gar nicht so gut sind
Wenn man sich die Stunde Zeit nimmt und 7 A 10256/18 mwn liest, versteht man warum der Mann sich nackt machen muss und wie mehrere Staatsanwaltschaften versagt haben. Das was zu den Taten und den Opfern geschrieben wurde halte ich für keine Lügen. Vermutlich dient es in diesem Fall wirklich dem Opferschutz.
Leitsatz
1. Im Falle einer Verfahrenseinstellung nach § 170 Abs 2 StPO mangels hinreichenden Tatverdachts ist im Hinblick auf das in § 81b Alt 2 StPO enthaltene Tatbestandsmerkmal der Notwendigkeit erkennungsdienstlicher Maßnahmen unter Würdigung der gesamten Umstände die Frage zu beantworten, ob der Tatverdacht gegen den Beteiligten vollständig ausgeräumt ist oder ob ein so genannter Restverdacht fortbesteht, nach dem begründete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Beteiligte auch zukünftig Anlass zu polizeilichen Ermittlungen geben kann.(Rn.35)
2. Hierbei ist zu beachten, dass sich die für die Staatsanwaltschaft nach §§ 170 Abs 1, 203 StPO entscheidende Verdachtsstufe des hinreichenden Tatverdachts von dem für die präventive erkennungsdienstliche Behandlung nur geforderten Restverdacht hinsichtlich des anzuwendenden Beurteilungsmaßstabs und des geforderten Wahrscheinlichkeitsgrades für strafbare Handlungen grundlegend unterscheidet.(Rn.43)
3. Der bei einer Verfahrenseinstellung festzustellende Restverdacht muss sich - wie beim Anfangsverdacht nach § 152 Abs 2 StPO - (nur) auf zureichende tatsächliche Anhaltspunkte, das heißt, auf konkrete Tatsachen stützen, die schließlich dafür sprechen, dass gerade der zu untersuchende Lebenssachverhalt eine Straftat darstellt. Als Abgrenzung zu den hierbei geforderten konkreten Tatsachen genügen (nur) bloße, nicht durch konkrete Umstände belegte Vermutungen oder rein denktheoretische Möglichkeiten zur Annahme eines prozessual ausreichenden Anfangsverdachts nicht.(Rn.43)
4. Sexualdelikte sind regelmäßig von einer besonderen Veranlagung oder Neigung des Täters geprägt und bergen damit statistisch betrachtet eine signifikant höhere Rückfallgefahr, wenn nicht die Tatumstände und alle weiteren bedeutsamen Faktoren auf eine zu erwartende Einmaligkeit der Tat hindeuten.(Rn.55)