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Wolfgang
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Ermittler lassen Kinderpornografie nicht löschen

Beitrag von Wolfgang »

Die Frage ist m.E. grundsätzlicher. Sollte Kinderpornografie überhaupt verboten sein? Es findet wie immer eine starke Vereinfachung der Situation statt. Das ermöglicht denn auch einfache Lösungen. Allein, das Leben ist komplexer. Das „Missbrauchsabbildungen“ (schon der Begriff ist eine unhaltbare Verallgemeinerung und beispielhaft für gelungenes Framing) sich scheinbar explosionsartig vermehren liegt an der neuen Gesetzgebung, die inzwischen zu 50% Kinder und Jugendliche betrifft. Dabei geht es überwiegend um sog. Posingfotos, die selber angefertigt werden. Diese Bilder zu verbieten war von Anfang an ein Fehler. Geht aber auch gegen Pädophile und ist damit im Sinne der beabsichtigten Stigmatisierung.

Pädophile Nutzer von Kinderpornografie bevorzugen Abbildungen, die ohne Zwang oder Gewalt angefertigt wurden. Das darf aber nicht in das Bewusstsein der Öffentlichkeit dringen, würde dies doch eine durchgehende Kriminalisierung Pädophiler behindern. Darum der Satz: „Die Fotos und Videos dokumentieren schlimmste Verbrechen an Kindern, etwa die Penetration von Säuglingen oder Gruppenvergewaltigungen von Mädchen und Jungen.“ in Verbindung mit dem Begriff „Pädokriminelle“. Ein Begriff, von dem immer wieder gern behauptet wird, er meine ja nicht exklusiv Pädophile. Dabei weiß jeder der Akteure, dass genau das bei den Menschen ankommt.
Die Nutzer solcher Abbildungen, die ja durchaus existieren, wenn auch nur in geringer Menge, sind überwiegend Menschen mit einem Gewaltproblem. Der prozentuale Anteil dürfte über alle sexuelle Orientierungen hinweg gleich sein. In absoluten Zahlen sind Pädophile also nicht das Problem.

Damit die Botschaft relevant wird heißt es „Im aktuell größten Darknet-Forum, in dem Fotos und Videos von schwerem Kindesmissbrauch geteilt werden, stehen mehr als 20 Terabyte an Bildmaterial zum Download. Das entspricht etwa einem Jahr Video in hochauflösender Qualität.“ Wieder wird der Eindruck erweckt, alle Abbildungen würden schwersten Kindesmissbrauch zeigen, was schlichtweg nicht stimmt. Da sich die Reporter die Abbildungen nicht angesehen haben stellt sich natürlich die Frage, wie sie zu solch einer Behauptung kommen. Und es gibt die Menge an Abbildungen nicht. Die Titel der Videos ändern sich immer wieder. Dadurch gibt es aber nicht mehr Videos. Überhaupt ist interessant, dass es extrem wenig Material neueren Ursprungs gibt, obwohl die technischen Voraussetzungen jeder dabei hat. Das Videomaterial ist überwiegend 15 bis 25 Jahre alt.

Dann das Argument: „Die Betroffenen würden sonst immer wieder zum Opfer, "und zwar ein Leben lang".“ Diese Darstellung knüpft nahtlos an die unhaltbare Theorie vom „Seelenmord“ an. Beides sind erfundene Behauptungen. Selbstverständlich kann Betroffenen mit einer Therapie geholfen werden. Was natürlich nicht geht, wenn diesen wieder und wieder eingeredet wird, das ginge nicht. Es gibt keinen wissenschaftlichen Beleg dafür, dass die Verarbeitung von Gewalterfahrungen von der Form der Gewalt abhängig ist, die erlebt wurde.
Insgesamt wieder ein Beitrag, der Pädophile stigmatisiert und Gewaltopfern die Chance auf Verarbeitung nimmt.
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Mitleser
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Re: Ermittler lassen Kinderpornografie nicht löschen

Beitrag von Mitleser »

Ich vermute, Du spielst auf den Beitrag von STRG_F (https://www.youtube.com/watch?v=iItLpwkQMUQ) an, in dem die Redakteure davon berichten, wie sie es erreicht haben, in einem Darknet-Forum tausende von Links zu Kinderpornografie löschen zu lassen, während das BKA nur mit den Schultern gezuckt hat.

Bei GSA hatte jemand auf diese Doku verlinkt, und ich habe mir nach dem Schauen die Frage gestellt, warum die Polizei hier offenbar weggeschaut hat, heißt die Maxime der Politik doch schon seit Jahren "Löschen statt sperren". Der mit dem Löscherfolg konfrontierte BKA-Mann rang sichtlich um eine vernünftige Erklärung und sprach schließlich davon, löschen sei ja ohnehin zwecklos, weil das Material gleich wieder woanders hochgeladen würde. Das mag wohl stimmen, aber über die tatsächlichen Beweggründe darf man trefflich spekulieren.

Wissen die Behörden, dass ein Großteil des Materials dort eher harmloser Natur ist, und womöglich selbst von Kindern und Jugendlichen angefertigt wurde (im Zeitalter der Smartphones ist so etwas ja nicht verwunderlich)? Oder sind es ohnehin immer nur die gleichen Aufnahmen, die dort schon seit 20 Jahren kursieren? Oder will man diese Inhalte vielleicht gar nicht aus dem Netz tilgen, so dass die "terabytegroßen Datenmengen" weiterhin als "dunkle Bedrohung" über allem schweben, um die ständigen Gesetzesverschärfungen weiterhin zu rechtfertigen?

Man kann also trefflich darüber spekulieren, und solange man mit legalen Mitteln nicht selbst nachschauen kann, was genau da eigentlich im Netz herumgeistert, ist es müßig, darüber zu diskutieren. Dass es dort Dokumentationen von schwerem Missbrauch gibt, will ich gar nicht wegdiskutieren, und die Geschichte, die der interviewte Familienvater über seine Tochter erzählt hat, ist definitiv herzzerreißend, aber sie steht sicher nicht stellvertretend für die Gesamtheit des Materials. Ginge es den Behörden um das Wohl der Opfer und den immer wieder heraufbeschwörten "Seelenmord", hätten sie das Material mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln löschen lassen, aber so lassen die halbherzigen Erklärungen viel Spielraum für Interpretationen.

Ist es vielleicht möglich, dass man schlicht und einfach Angst hat, Argumente für die Einführung der schon seit vielen Jahren diskutierten Vorratsdatenspeicherung und die Aufweichung der Verschlüsselung von Internetkommunikation zu verlieren? Dann kann es den Behörden und der Politik ja nur recht sein, wenn immer wieder von terabytegroßen Funden berichtet wird, von einem aussichtslosen Kampf gegen das Verbrechen, und von Leid in unvorstellbarem Ausmaß. Umso verblüffender ist es, wenn ein kleines Team von Journalisten ebendiese Terabytes mit überschaubarem Aufwand und innerhalb kurzer Zeit löschen lassen können - was auch immer da überhaupt gelöscht worden ist...
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Wolfgang
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Re: Ermittler lassen Kinderpornografie nicht löschen

Beitrag von Wolfgang »

Mitleser hat geschrieben: 05.12.2021, 17:44 Ich vermute, Du spielst auf den Beitrag von STRG_F (https://www.youtube.com/watch?v=iItLpwkQMUQ) an,
Genau, danke.
Und diese Berichterstattung über obigen Beitrag:
https://www.tagesschau.de/investigativ/panorama/kinderpornografie-loeschung-101.html
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Namielle
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Re: Ermittler lassen Kinderpornografie nicht löschen

Beitrag von Namielle »

Das hast du mal wieder gut in Worte gefasst. Ich sehe das genauso: Gerade diese Kriminalisierung von Kinderpornografie, dessen Definition immer mehr ausgeweitet wurde, sorgt für die Probleme. Grundsätzlich finde ich auch nicht, dass der Konsum von Kinderpornografie - erst recht nicht bei Posingbildern - verboten sein sollte. Es sollte sich hier besser auf die Produzenten von tatsächlich problematischem Material konzentriert werden. Die meiste Kinderpornografie würde wohl auch eher unter "Kindererotik" fallen. Der Begriff "Missbrauchsabbildungen" ist als allgemeine Bezeichnung noch schlimmer. Das könnte höchstens verwendet werden, wenn tatsächlich darüber gesprochen wird.

Wenn sich jemand die Aufzeichnung darüber anschaut, wie ein kleines Mädchen verprügelt wird oder weint, ist das in Ordnung. Wenn sich jemand hingegen anschaut, wie ein Mädchen eigenmotiviert ein wenig posiert und auch Spaß dabei hat, wird der Betrachter als Verbrecher behandelt. Das ist schon ziemlich lächerlich. Diesen Abschnitt "unnatürlich geschlechtsbetonte Körperhaltung" verstehe ich aber sowieso nicht. Vielleicht ist das Absicht.

Es werden immer hohe Nutzerzahlen bei diesen Foren hervorgehoben, aber es wäre wohl eher interessant zu wissen, wie viele Accounts da überhaupt (noch) aktiv sind oder sich einer physischen Person zuordnen lassen. Einerseits könnte ich mir vorstellen, dass es einige Leute geben wird, die einfach mal schauen wollen, was es da so gibt. Andererseits versprüht gerade das Verbotene - dieses Tabu - einen gewissen Reiz bei bestimmten Leuten - was bei Metzelder auch eher der Grund gewesen sein sollte als eine "richtige" Pädophilie. Wenn beispielsweise ein Pornosüchtiger schon alles Mögliche angesehen hat, wird dieser auf der Suche nach einem neuen Kick möglicherweise bei Kinderpornografie landen. Also rückt gerade dieses Verbot die Kinderpornografie überhaupt erst in das Interesse dieser Menschen. Hier also immer von Pädophilen oder Pädokriminellen zu sprechen ist mal wieder eine maßlose Verallgemeinerung.

Inzwischen wurde bei dem STRG_F YouTube-Video im Titel "Pädo-Foren" durch "Pädokriminelle Foren" ersetzt - viel besser macht es das aber nicht. Da hat derjenige, der das kritisiert hat, mal wieder viel zu kurz gedacht. Allein das stigmatisiert doch bereits unsere Sexualität, wie du ja bereits ausgeführt hast.

Wolfgang hat geschrieben: 05.12.2021, 15:26Pädophile Nutzer von Kinderpornografie bevorzugen Abbildungen, die ohne Zwang oder Gewalt angefertigt wurden. Das darf aber nicht in das Bewusstsein der Öffentlichkeit dringen, würde dies doch eine durchgehende Kriminalisierung Pädophiler behindern. Darum der Satz: „Die Fotos und Videos dokumentieren schlimmste Verbrechen an Kindern, etwa die Penetration von Säuglingen oder Gruppenvergewaltigungen von Mädchen und Jungen.“ in Verbindung mit dem Begriff „Pädokriminelle“.
Das stört mich auch immer sehr. Zudem fällt mir in den Kommentaren häufig auf, dass die Menschen ein solches Bild von Pädophilen haben. Ich kenne keinen Pädophilen oder eher Girllover, der sich so etwas angucken würde. Viele begnügen sich sogar bereits mit Instagram, TikTok usw. Mir reichen auch hauptsächlich solche Seiten/Apps und ich hatte noch nie das Bedürfnis danach, auf so eine Kipo-Seite im Darknet zu gehen (allein der Besuch wäre ja bereits strafbar). Instagram ist da aber sowieso ein Paradies für uns, und ich habe manchmal den Eindruck, dass die Clips oder Bilder extra für Girllover produziert werden.
Ich liebe kleine Mädchen so wie es ihnen lieb ist.
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Salted Tears
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Re: Ermittler lassen Kinderpornografie nicht löschen

Beitrag von Salted Tears »

naja - die meißten Kipo sind künstlerisch gesehen anspruchslos und stark schematisiert - da wäre das Löschen schon allein aus dem Grund kein Verlust. Und Werke mit einem filmischen Inhalt die sowohl eine Botschaft, schöne Bilder als auch sexuelle Inhalte darstellen sind selten, vermutlich weil den Machern bewusst ist das Ihr Film nur beschnitten gezeigt oder gleich auf der roten Liste landen.
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