Hallo Gewürzgurke,
hier nun die verspätete aber versprochene Antwort auf Dein letztes Posting.
gewuerzgurke hat geschrieben:
Bist du denn mit deiner Anstellung zufrieden? Oder würdest du gerne etwas anderes machen? Ist es vielleicht dieser Job der dich an weiteren Maßnahmen hindert?
Könnte es nicht auch die Angst sein wieder den Job zu verlieren? Irgendwoher muss diese Antriebslosigkeit ja herkommen.
Nein, mit meinem Job bin ich überhaupt nicht zufrieden. Ich fühle mich durch ihn oft sehr überfordert. Darüber hinaus ist die Vergütung für das Doing echt alles andere als angemessen. Ich hatte vor meinem plötzlichen Freiheitsentzug einen stressigen, aber angemessen dotierten, Job. Ich habe diesen sehr gerne gemacht. Es war positiver Stress. Jetzt habe ich Stress pur. Und oft stoße ich dabei auch an meine Wissensgrenzen. Das macht es für mich dann oft schlimm, denn ich stehe dann hilflos vor, für mich, unlösbaren Problemen. Darüber hinaus muss ich für mich feststellen, dass ich scheinbar an Auffassungsgabe und Lernfähigkeit verloren habe. Ich konnte das vor der ganzen Aktion wesentlich besser. Besonders deutlich wird mir dies, wenn ich zwei junge Kollegen betrachte, die wesentlich später angefangen haben und bestimmte Zusammenhänge viel schneller verinnerlichen konnten. Ich möchte sogar behaupten, dass mich einer von beiden schon locker in die Tasche stecken kann. Leider gibt der Arbeitmarkt derzeit keinen adäquaten Job her, und so mache ich den meinen, um überhaupt einen zu haben, und die Versorgung meiner Lieben zu gewährleisten.
gewuerzgurke hat geschrieben:
das eine Therapie mir in dieser Richtung auch nicht helfen kann
Könntest du dies konkretisieren? In welche Richtung ging sie denn?
Das ist gar nicht so einfach zu sagen. In den Sitzungen wurden eigentlich alle Lebensbereiche und Probleme mit eingeschlossen. Einstieg war immer eine Schilderung der Gefühle und Geschehnisse die es seit der letzten Sitzung gab. Daraus haben sich in dann Gespräche zu den aktuell „herausragenden“ entwickelt.
Es gab natürlich viele Sitzungen, in denen es darum ging, mich so anzunehmen wie ich bin.
Aber diese Sitzungen haben es nicht geschafft, mein Selbstverständnis und meine „Schutzmauer“ auch nur ein wenig zu stärken. Deshalb meine ich, dass mir eine Therapie auch in dieser Richtung nicht helfen kann, und ich dort für mich auch keine erkennbare Möglichkeit einer Verbesserung sehe.
gewuerzgurke hat geschrieben:
Darüber hinaus hätte ich auch ein Problem damit, mich wieder auf die schwierige Suche nach einem wirklich kompetenten Therapeuten zu machen.
Mir absolut verständlich. Aber warum ist dies ein Problem für dich? Liest sich so als ob du gar nichts an dem Zustand ändern willst. …
Das hängt mit dem oben geschriebenen zusammen.
gewuerzgurke hat geschrieben:
Nur - was willst du mit den Tagen anfangen die dir noch bleiben? Auf ewig weiterhin bedauern, beschämt sein, sich Selbstvorwürfe machen, immer und immer wieder in die selben Zweifel zu verfallen? Ist das für dich Lebensqualität? Möchtest du das?
Das ist mein Gefühl, in dieser besch…nen Welt, bis ans Ende meines Lebens damit belastet, dahinvegetieren zu müssen. Das dies natürlich absolut keine Lebensqualität darstellt, ist selbstredend. Daher auch die Hoffnung, dass dieses Leben nicht allzu lange dauert. Zu einer für mich vorstellbaren Lebensqualität gehören aber leider auch Dinge, die ich nicht für realisierbar halte, sowie auch welche, die mir von vornherein verboten sind.
gewuerzgurke hat geschrieben:
…. Zur Zeit hast du deinen eigenen, der aber immer wieder vor einer riesigen senkrechten Felswand endet. Du musst zurückgehen und kommst wieder zum Anfang. Gleich darauf startest du einen neuen Versuch. Wo endet er?...
Damit hast Du absolut Recht. Meine Überlegungen enden immer wieder an denselben Punkten. Um bei dem bildlichen Vergleich zu bleiben, würde mir ein unüberwindbarer Abgrund aber besser zusagen. Du könntest dann sagen, dass ich einen Weg finden müsse, diesen zu überwinden. Mir bliebe aber die Option , einfach einen Schritt nach vorn zu gehen.
gewuerzgurke hat geschrieben:
... Eine Aussprache mit ihr wird dir unter Umständen auch nichts bringen. Du zweifelst. Du kannst es nicht glauben das dir jemand verziehen hat. Das bei ihr sogar wieder alles in Ordnung sein könnte. Dafür gibt es ein Wort: Vertrauen. …
Diese Passage Deines Posts hat mich, wie schon von mir geschrieben, ganz schön zum grübeln gebracht. Wie schon erwähnt hat mich ein guter Freund unter dem Aspekt ( das ich meine Depression dann auf ein anderes Lebensproblem projezieren könnte) auf mögliche Folgen einer Aussprache angesprochen, und hier wurde auch schon mal geschrieben, das sie, mir unter Umständen, auch nicht offen ihre Meinung sagen würde, da sie mich vielleicht nicht verletzen wolle.
Also, bei einer möglichen Aussprache würde ich mir natürlich wünschen, dass für sie alles wieder in Ordnung ist. Aber ich denke die Aussprache würde auch auf beiden Seiten, zumindest in einem Punkt, etwas Positives bewirken, selbst wenn sie mir dabei richtig den Kopf waschen würde. Das Unausgesprochene und Ungeklärte, was da im Raum steht wäre weg. Ich glaube auch, dass es für uns beide etwas ändern würde, selbst wenn sie, um mich zu schonen, ihre wahren Gefühle verbergen würde. Sie würde wenigstens erfahren, wie Leid mir das ganze wirklich tut, und es für mich nicht, einfach so, als erledigt gilt. Mir ist aber auch jetzt ganz klar, dass sich meine Schuldgefühle bei einem möglichen „Kopfwaschen“ natürlich nicht ändern können, oder sich unter Umständen noch verstärken. Das sich meine Depris dadurch auch noch verstärken können ist mir auch klar, und eine Verschiebung auf andere Probleme bei „gutem“ Ausgang ist bestimmt möglich. Nun kommen wir zu den von Dir gemachten Gedanken und einem in Diesem Zusammenhang gebrauchten Wort. Das Wort
Vertrauen!
Mit diesem Wort hast Du mich zum stolpern gebracht. Ich hatte ja geschrieben, dass ich ein Vertrauensverhältnis zu ihr habe. Und durch Deine Worte habe ich viel darüber nachgedacht, ob dies wirklich so ist. Kann ich überhaupt von einem Vertrauensverhältnis sprechen, wenn es solch unausgesprochene Dinge gibt. Was macht ein Vertrauensverhältnis eigentlich aus? Viele Fragen habe ich mir gestellt. Nun, was ist das Ergebnis?
Meine Antwort lautet nein! Ich muß meine vorherige Aussage und Auffassung revidieren. Ich kann allenfalls sagen, wir haben ein gutes Verhältnis.
Aber vielleicht kann eine Aussprache helfen, wieder eine Vertrauensbasis zu schaffen.
gewuerzgurke hat geschrieben:
Und welche Schuld gegenüber deinen anderen drei Lieben? Der Familie? Oder gar etwas anderes?
Dies ist, wie schon angekündigt, ein sehr umfangreicher Part. Ich habe lange überlegt, wie ich ihn, mit wenigen Sätzen, beschreiben bzw. umschreiben kann. Ich muss zu dem Schluß kommen, dass es mir nicht möglich ist. So versuch ich mal mit wenigen Sätzen ein wenig diesen großen Bereich anzuschneiden, und dann bei möglichen Fragen, diese dann sukzessiv,
zu beantworten.
Ja, die Familie ist hier gemeint, und zwar meine Familie. Wobei ich jetzt nicht mehr von Familie, im engeren Sinne, sprechen kann, da ich mit Familie auch ein entsprechendes Familienleben verbinde. Dieses ist durch meine Neigung, mein Handeln und der Konsequenzen aber abhanden gekommen. Wir leben in einem wirren Konstrukt, das bei Außenstehenden schon oft zu komischen Fragen geführt hat. Gegenüber meiner Mutter und meinen Brüdern empfinde ich keine Schuld.
Ein paar Punkte auf meiner Liste der Schuld, meiner Familie gegenüber, unabhängig von der Schuld, die hier bis jetzt schon thematisiert wurde:
Schuld gegenüber meiner Ehefrau:
-Ihre Enttäuschung, da ich ihr in gewissem Sinne „fremdgegangen“ bin
-Verlust des Ehemannes
-Aussetzung der Gefahr, von möglichen Repressalien aus der Gesellschaft, ihr und den Kindern gegenüber
-Ihre Ängste vor möglichen Repressalien aus der Gesellschaft Ihr und den Kindern gegenüber
-Verlust einiger Personen aus ihrem vorher intaktem, sozialem Umfeld
-Verlust ihrer eigenen Familie! Mutter und Schwester
-Verlust des häuslichen Umfeldes
Schuld gegenüber meinen Kindern:
-Verlust des im Haushalt lebenden Vaters
-Psychische, durch die Strafverfolgung ausgelöste Probleme, bei meiner zum Zeitpunkt der Festnahme 6 Jahre alten Tochter.
-Aussetzung von möglichen Repressalien aus der Gesellschaft
-Verlust des häuslichen Umfeldes
Ich denke wenn man diese Liste liest, wird letztendlich noch klarer, warum mir eine Aussprache mit meinem „Opfer“ allein gar nicht helfen kann. Denn in dieser Geschichte gibt es mehrere „Opfer“. Und die Liste zeigt auch auf, an wie vielen Baustellen meine Therapie gleichzeitig zu arbeiten hatte und was mich alles belastet.
Liebe Grüße
Forbidden Love