Riesige Missbrauchsdebatten werden eröffnet - durch die Kirche, durch Kinderschutzverbände, durch Politik, durch Medien... und durch sonstige Vakuumgehirne.
Im Zentrum dieser Debatten stehen zwei Poole: das schlimm geschändete Kind (Opfer) und der böse triebgesteuerte Perverse (Täter).
Um die Dramaturgie der Schändung noch zu steigern, wird die Geschichte mit umfangreichem Sozialkontext versehen:
Der perverse Nachbar, der sich durch Geschenke und Aufmerksamkeit das Vertrauen des Kindes "erschleicht", um sich später am Kinde verlustieren zu können. Der lüsterne Heimbetreuer, der die körperliche oder geistige Unterlegenheit der ihm anvertrauten Kinder zur Schändung ausnutzt. Der notgeile Pfarrer, der gottesgebotliche Nächstenliebe überschießend umsetzt. Usw.
Besonders hoch kocht die Debatte, wenn es um Massenmissbrauch geht, wie an der Hodenwald-Schule oder in den Gebetsräumen der Abtei.
Es werden sExpertenrunden gebildet, runde Tische aufgestellt, über Gesetzesverschärfungen gesprochen, Berufe unter Vorbehalt gestellt und männlicher Kindesumgang stigmatisiert, riesige Schlagzeilen auf den Blöd-Zeitungen und reißerische und missformulierte Überschriften trichtern der ahnungslosen Bevölkerung das Gespenst von der Weltbedrohung durch das Pädentum ein.
Alle sind in Aufruhr und es wird hektisch gehandelt. Denn in solchen Fällen sehen die Hysteriker eine Massengefahr, ein Krebsgeschwür, das im Sittlichkeitsorgan wuchert.
Wahrscheinlich haben sie damit auch Recht, wenn es um die Gefahr wild fickender Ersatzobjekttäter geht. Denn wer möchte schon, dass geliebte Kinder in der Öffentlichkeit oder in Einrichtungen gegen ihren Willen etwas erleiden müssen.
Keinesfalls Recht haben jedoch diejenigen, die das Problem der Massenorgie, also des Massenmissbrauchs von Kindern, unter dem Aspekt des Päd... also des P-Wortes diskutieren. Dazu brauche ich nicht referieren, dieser Aspekt ist Euch bekannt.
Doch wie würde die Debatte zu einem Massenmissbrauch ablaufen, bei dem es nicht um Kindesmissbrauch - sondern um anderer Leute Missbrauch geht, zum Beispiel Missbrauch von Frauen; eine Debatte, bei der man nicht mit dem geliebten P-Feindbild Quoten bringen kann?
Jetzt können wir es beobachten. Denn hier wird so ein Fall gemeldet:
Man mag sich die Augen reiben: "Frauen"?? Frauen sollen missbraucht werden können? Diese Frage ist berechtigt, denn nach Studium der Berichterstattung der letzten Jahre müsste ein unbefangener Beobachter den Eindruck gewonnen haben, dass nur Kinder missbraucht werden können.[color=#000000]Spiegel.de[/color] hat geschrieben:Neue Studie
Tausende behinderte Frauen in Heimen missbraucht
Eine Studie im Auftrag des Bundesfamilienministeriums weist auf einen schrecklichen Misstand hin: Tausende geistig-behinderte Frauen sollen in Heimen und Werkstätten in Deutschland Opfer sexueller Gewalt geworden sein.
Die Studie namens "Lebenssituation und Belastungen von Frauen mit Beeinträchtigungen und Behinderungen in Deutschland" zeigt, dass sechs Prozent der Frauen mit geistiger Behinderung in Heimen und Werkstätten sexuelle Gewalt erlitten haben.
Jetzt blicken wir mit Erstaunen und sehen: Aha!! Missbrauch ist also nicht (nur) ein Thema mit Bezug zu Kindern und P, nein, Missbrauch ist ein allgemeines Problem.
Nun untersuchen wir mal diese Meldung zu einem Nicht-Kind-Missbrauchs-Thema. Und wir werden stutzig:
- Lausige vier Absätze mit einem Schlusssatz (dort oben nicht im Ganzen abgebildet). Bei diesem geringen Umfang gerät doch kein empörter Bürger in Wallung. Statt "Schändung", "Vergewaltigung", "[sonstiges reißerisches Wort]" lesen wir nur kühl: "sexuelle Gewalt". Hm. Langweilig.
- Wo sind die Zitate der vielen Straf- und Ekel-Experten, die bei Kindesmissbrauch in Massen gebohren zu werden scheinen und ihre Weisheiten über die Täter wie Schnellfeuergewehre zum Besten geben??
- "Täter sind der Studie zufolge meist Bewohner, aber auch Personal.", heißt es im Schlusssatz. Aha. Also die "Mitgefangenen" sozusagen. Aber auch ein Bisschen die Perversen. Halt , nein: Pervers ist hier keiner. Offenbar. Man schrieb ja vom "Personal". Aber wo sind dann die Analysen darüber, wie pervers das Heim-Personal sein muss?? - dass man dort als Betreuer seine Gelüste auslebt, Vertrauen missbraucht, sich als Herr über eine Seele stellt, einen kranken Kopf haben muss - ein Monster ist? Wo ist der Pauschalvorwurf, der Stigmatisierungsstempel für Bevölkerungsgruppen?
Wir müssen mit Befremden feststellen:
Was uns vom Kindesmissbrauch in Massenfällen vertraut ist, fehlt hier.
Nun aber müssen wir innehalten. Denn wir haben den Text ja noch gar nicht komplett gelesen.
Die ganze Zeit erzähle ich Euch, wir hätten es hier mit einem Massenmissbrauchsfall zu tun, der sich nicht auf Kinder und Pä... bezieht.
Doch ich habe Euch angelogen. Habt Ihr wirklich geglaubt, dass es so einen Fall gibt? Ja? Wirklich? Ätsch!
Und damit bewegen wir uns zum Glück wieder in vertrautem Fahrwasser. Oben und Unten sind doch noch am rechten Fleck:[color=#000000]Fortsetzung von Spiegel.de[/color] hat geschrieben:[...]Georg Ehrmann, Vorsitzender der Deutschen Kinderhilfe sagte "Report Mainz": "Der tägliche [oi! ] Missbrauch von Jungen und Mädchen in deutschen Behinderteneinrichtungen ist ein großes Tabu und unter dem Motto, dass nicht sein kann, was nicht sein darf, machen die Verantwortlichen in der Politik, in den Verbänden und in den Kommunen die Augen zu und deswegen sprechen Betroffene auch von dem größten Skandal in der Jugendhilfe seit dem Zweiten Weltkrieg."
Endlich lesen wir wieder über Kindesmissbrauch, und es fallen sogar die Worte "Junge" und "Mädchen", damit es etwas konkreter wird. Und natürlich wird im Zusammenhang mit Kindesmissbrauch auch von täglichem Missbrauch geschrieben, denn was empört mehr: Tausend missbrauchte Frauen oder dass jeden Tag ein Kind missbraucht wird?
Und natürlich wird jetzt auch von "Tabu" und "Skandal" gelabert, und an die Verantwortlichkeit der Politik appelliert. Das Sahnehäubchen bringt der emotionsschaffende Begriff "Zweiter Weltkrieg" - boa, da überrollt einen doch der Ekel über den Kindesmissbrauch wie ein deutscher Panzer.
Als geistig behinderte missbrauchte Frau in so einer Einrichtung muss ich mich doch jetzt fragen: Kindesmissbrauch ist nach Herrn Ehrmann (welche Ehre!?) also ein Skandal und die Politik muss handeln. Und was ist mit uns Frauen??
Jedoch wird sich keine der betroffenen Frauen diese Frage stellen können, nämlich aus dem Grund, warum sie in dieser Einrichtung überhaupt erst sind - das ist bitter.
Jedenfalls:
Der Absatz von Herrn Ehrmann liest sich innerhalb des kurzen Textes wie ein Fremdkörper, wie aus einer anderen Welt. Doch für die meisten Leser wird dieser Absatz das sein, was sie aus diesem Artikel mitnehmen und im Gedächtnis behalten werden.
Nun ja, vielleicht kommt in dieser Sache ja noch etwas nach. Mal sehen, ob die missbrauchten Frauen dann rückwärtsgealtert sein werden wie Benjamin Button und sich plötzlich als Kinder entpuppen.
Hier der besprochene Artikel vom Spiegel:
http://www.spiegel.de/panorama/justiz/0 ... 14,00.html