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cortejador
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Uns trennt das Leben

Beitrag von cortejador »

Eine gar nicht lustige Geschichte, die uns Alexander Dierbach hier präsentiert:
Die beiden Erzählstränge gehen in einer Richtung von dem Ereignis weg, und der anderen zu dem Ereignis hin, immer wechselseitig. Düster einerseits, unendlich traurig, unfassbar, man möchte es eigentlich gar nicht wahr haben, diesen Film zu sehen angefangen zu haben, stellt er einem gegenüber mit dem Schlimmsten, was einem als Elternteil, als Mensch, überhaupt geschehen kann: Den Tod deines eigenen Kindes. Und wurde verursacht durch ein anderes Kind, das ein Freund deines Kindes war. Keine kann es so sehr nicht begreifen wie die Mutter dieses Mädchens. Und sitzt seitdem immer auf der Bank vor der Psychiatrie, in der man den Jungen untersucht. Sie möchte Antworten, und wird sie nie bekommen.
Antworten auf das Geschehene möchte auch die junge Psychologin, unter Problemen leidend die Beziehung mit ihrem Freund betreffend. Sie bekommt erst nach langer Zeit so etwas wie Zugang zu dem Jungen. Sein Vater ist ihm wichtig, den Freund seiner Mutter lehnt er ab. Sein Vater wäre Clown in Australien, und würde nie mehr wiederkommen, so seine Mutter zu ihm.
Ein Clown wäre ja nichts schlechtes, dachte sie wohl, auch für ihren Sohn. Aber wie kommt er auf ihn zurück, oder überhaupt zu ihm? Dieser Clown, dieser lustige, lebhafte in seiner Mimik, ja und jederzeit Freude erzeugende?
Es ist eine gar nicht lustige, fast leblose Hülle, die einen nicht erfreut, sondern einfängt, stumm, starr, angsteinflösend.
Der Vater kehrt zurück, nicht auf dem Flughafen, auf dem ihn sein Sohn immer wieder sehnlichst erwartet, sondern als Gegenteil dessen, was sein genannter Beruf als Clown ist; bleichgeschminkt, wie Michael Myers, immerhin mit roter Nase, aber das ist nicht lustig, wenn er dir immer wieder hinter der Tür auflauert, durch die Türe kommt, aus dem nichts aufsteigt, und gar nicht lustig ist.
Weil nicht lustig ist, wenn man dir sagt: "Vielleicht wäre er noch hier, wenn DU nicht da wärest"! Und so beginnt ein Alptraum. Und so kommt er, in seinem scheinbaren Beruf, wie man dir erzählt hat, aber nicht um dich zu erfreuen, oder zu belustigen, sondern um dir Angst zu machen und dich zu bestrafen alleine deshalb, daß du da bist!
Eine grausame Geschichte, die so viele Leben schreiben, und immer wieder Grausamkeiten hervorrufen, die wir uns nie erklären können. Wir rechtschaffenen, wir gesetzestreuen und oft frommen Bürger der Nation! Und wieder fragen wir uns beim nächsten Amoklauf: "Wie konnte das nur geschehen?"
Es kann alles geschehen. Wenn wir nur einmal herausgefallen sind aus dem blauen Himmel, der gänzlich uns umgibt; aus dem Blumenmeer das grade jetzt im Frühling keine Grenzen kennt; aus der Liebe, die alle uns umfängt!
Und so ist doch schon die Mutter herausgefallen, und man möchte sagen sie wäre schuld; aber wie sollte man den Kreis durchbrechen? Der Film lässt das offen, aber die Mutter erklärt sich bereit, mit ihrem Kind zu spielen, nachdem es in den Brunnen gefallen ist.
Düstere Geschichte, wichtig und wertvoll, von allen Beteiligten glänzend gespielt!
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cortejador
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Re: Uns trennt das Leben

Beitrag von cortejador »

Manchmal frage ich mich, wie sich das anfühlen könnte, wenn man aus dem blauen Himmel herausgefallen ist.
Oder viel schlimmer noch: Wenn man nie einen blauen Himmel gesehen hat!
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cortejador
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Re: Uns trennt das Leben

Beitrag von cortejador »

Bild
Quelle: TV-Spielfilm

Ein Junge, er ist acht, wird zum Täter. Und wenn wir ehrlich sind: Wir alle sind schuld.
Die Schlussszene erzählt das Drama in drei Sätzen. Es sagt die Mutter: „Vielleicht spielen wir nachher noch was?“ Es sagt der Sohn: „Aber du spielst doch nicht gern.“ Die Mutter antwortet: „Ich muss es halt mal versuchen.“ Ein Versuch. Und dabei ist alles doch längst schon verloren.

Die Anfangsszenen erzählen das Drama in wenigen Bildern. Die sechsjährige Tochter möchte dem Vater beim Rasieren helfen. Man will zu einer Hochzeit. Es eilt. Das vom Papa „Prinzessin“ genannte Kind bringt im Gasthaus einen Stein, der als eine Art Tischkarte gilt. Nicht neben „Renate“ wolle sie sitzen. Später, sagt die Mutter. Später wird ihr Kind erschlagen sein von einem solchen Stein. Von David. Er ist acht.

Herzsprengende Sätze
„Würden wir ihm auch helfen, wenn es kein Unfall war?“, heißt es aus dem Off. Zwei Psychologen müssen sich abarbeiten an diesem Fall. Warum hat der Junge panische Angst vor einem imaginierten Clown? Ist er wirklich schizophren? Oder nur traumatisiert, wie die Psychologin Nora (Julia Koschitz) glaubt? Er wirkt wie ein Psycho, dieser David. Ein wenig verschlagen, ein wenig durch den Wind, wenn er nachts auf dem Flughafen von Polizisten gefunden wird. Er warte auf seinen Vater. Der Vater, natürlich kommt er nicht, weil er in Australien sei. In Wahrheit: Die Mutter weiß nichts von dem Mann, der sie geschwängert und noch vor der Geburt sitzengelassen hat. Und David, er schreibt herzsprengende Sätze an ihn, den Unbekannten. Die Briefe landen in einer Kiste. Bei der Mutter.
Wie grausam Mütter sein können, das spielt Anneke Kim Sarnau grandios. Sie ist grausam, aus nur einem Grund. Weil sie verzweifelt ist. Sie will Familie, einen Job. Sie will lieben. Nicht mehr. Das ist nun wirklich nicht zu viel verlangt. Aber doch zu viel, für sie. Für uns, auch das.

Widerwärtige Heuchelei
Der junge Alexander Dierbach, der das Drehbuch schrieb und Regie führte, zeigt großes Talent. Er führt uns vor, wie grausam das Leben ist. Wenn Davids Mutter ihrem Sohn über den verlorenen Vater hinschleudert: „Wenn du nicht wärst, wäre er gar nicht erst weg.“ Wenn David für die Mutter kocht, ein Chaos, und sie nur sagt: „Ich koche.“ Dann rührt sie ihm Beruhigungsmittel in den Schokopudding, damit der neue Freund nicht ohne sie „zum Flirten“ loszieht. Wie beklemmend, wer werfe hier den ersten Stein, den der Sohn ja auch wirft? „Merkst du nicht, dass ich versuche, einen neuen Papa für dich zu finden?“, sagt die Mutter in einer widerwärtigen Heuchelei.

Falsch? Vielleicht alles
Dierbachs Film ist ohne Schnörkel, er widersteht dem falschen Pathos. Er wirft einen einfach zurück auf die schlichte Frage, die einen jeden Tag quält, wenn man es zulassen will: Was habe ich heute wieder falsch gemacht? Die Antwort: Vielleicht alles.
Quelle: Focus online

Bild
Quelle: Stuttgarter Zeitung

Genre: Psychodrama
Land: D
Jahr: 2010
Regie: Alexander Dierbach

Darsteller:
Tim Bergmann (Christian)
Sebastian Ströbel (Tim)
Jan Messutat (Rainer)
Julia Koschitz (Nora)
Jannick Brengel (David)
Anneke Kim Sarnau (Constanze)
Jasmin Schwiers (Sabine)
Regie: Alexander Dierbach
Autor: Alexander Dierbach
Kamera: Ian Blumers
Produktion:
Sperl Productions
ARTE
BR
SWR
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Restil
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Re: Uns trennt das Leben

Beitrag von Restil »

Klingt interessant! Werd ihn mir dieser Tage wohl mal anschauen.

Danke cortejador! :)

Greetz,
Thomas
Du musst die Weintraube vernaschen, BEVOR sie 'ne Rosine ist. - B. Stromberg -
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cortejador
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Re: Uns trennt das Leben

Beitrag von cortejador »

Ja, lieber Restil,

der Film scheint Spuren bei mir hinterlassen, da ich monatsweise das Thema wieder aufgreife. Ein ähnliches Thema hatte ich kurz angeschnitten bei einem Film, der mir noch unheimlicher war, noch beängstigender, noch viel erschüttender und ausweglos ohne Ende, daß ich darüber bislang keine richtigen Worte finden konnte. Und der heisst: "Unter dem Eis".
Vielleicht finde ich noch Worte dazu, bevor sie mit mir unter dem Eis gefrieren.

Liebe Grüße
cortejador
gelöscht_17
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Re: Uns trennt das Leben

Beitrag von gelöscht_17 »

cortejador hat geschrieben:Und der heisst: "Unter dem Eis".
Hört sich für mich interessant genug an, ich mag Psychodramen. Mal sehen, ob sich das Teil irgendwie auftreiben lässt.
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cortejador
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Re: Uns trennt das Leben

Beitrag von cortejador »

gelöscht_17 hat geschrieben:Hört sich für mich interessant genug an, ich mag Psychodramen.
Dann denke ich, ist er in jedem Falle für dich interessant. "Psychodrama" ist wahrscheinlich noch schwer untertrieben. Als ich ihn gesehen habe, und in der Erinnerung immer wieder vor mir habe, ist er eher eine Apokalypse.
gelöscht_17
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Re: Uns trennt das Leben

Beitrag von gelöscht_17 »

*grummel*

Wieder so ein Film, den man nirgendwo her bekommt.
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cortejador
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Re: Uns trennt das Leben

Beitrag von cortejador »

gelöscht_17 hat geschrieben:Wieder so ein Film, den man nirgendwo her bekommt.
Naja, vor einigen Wochen - oder waren es schon Monate - man verliert so schnell die Zeit; ja, jedenfalls lief er noch in TV. Für onlinetvrecorder dürfte es allerdings schon zu spät sein (oh, hab ich jetzt unberechtigterweise Werbung gemacht?) Verzeihung!
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