Ärgerlich mal wieder aus Sicht eines GL, dass nochmals ein widerlicher Schwachsinniger als Partner eioner "Beziehung" zu dem Kind herhalten muss, als ob ein geistig intakter Mensch das nicht noch besser könnte. Das löste bei mir den selben Verdruss aus, wie "Digging to China (Träume bis ans Ende der Welt)", in dem das gleiche Stereotyp benutzt wurde.
Sakura
Was ist an einem "Schwachsinnigen" widerlich? Er besitzt ein Handicap, das ihm niemand vorwerfen kann. In manchen Filmen tritt er gar als die personifizierte Unschuld auf. Somit bietet er doch eine ideale Projektionsfläche für missverstandene und benachteiligte Minderheiten. Das gesellschaftskonforme Publikum unterstellt dem geistig Behinderten keine bösartigen Absichten wie etwa dem Pädo, empfindet sogar Mitleid für ihn, weil er sich den sozialen Umgangsformen niemals vollständig anpassen kann. Insofern finde ich es gar nicht so schlecht, in Literatur oder Film den Pädophilen hinter Figuren zu verstecken, die im Allgemeinen oder auch unter gewissen Voraussetzungen freundlicher aufgenommen werden. Man kann ihn als einen verantwortungsbewussten Vampir darstellen, der mit seinen überwältigenden Bedürfnissen klar kommen muss („Interview mit einem Vampir“) oder als einen Mutanten, der wegen seiner angeborenen Superkräfte von der Gesellschaft gefürchtet wird („X-Men“). Alle diese Filme hätten nicht den erwarteten Zuspruch gefunden, wenn die Assoziation ‚pädophil’ zu offensichtlich gewesen wäre oder wenn sie direkt von Pädophilen gehandelt hätten. Indirekt treten sie jedoch für unsere 'Sache' ein.
Zwar gelingt es, durch den Diebstahl an "Alice im Wunderland", die Erlebnisse der Kleinen so darzustellen, dass sie als isolierte Parallelwelt eines Kindes glaubwürdig wirken, das mit einer grässlichen Realität konfrontiert wird, aber eben diese Ästhetisierung wirkt zynisch verharmlosend, denn solche Kinder gibt es wirklich - und die leben eben nicht in einer Traumwelt, sondern müssen ihre brutale Wirklichkeit täglich durchstehen.
Dies ist der zweite ärgerliche Aspekt, den auch der normale Zuschauer, der mit Verstand hinguckt, nicht ohne Protest hinnehmen wird.
Sakura
Auch ich halte die These, dass Kinder jedes traumatische Erlebnis spielend mit ihrer Phantasie verarbeiten könnten, für überzogen. Dieser radikalen Gegenposition zum Status quo, der Kinder hauptsächlich als Opfer betrachtet, muss man nicht zustimmen. Manchmal bedarf es aber einer extremen Sichtweise, um eine Diskussion ins Rollen zu bringen, die sich am Ende in der Mitte treffen könnte. TIDELAND provoziert ohne Frage, und darin sehe ich den eigentlichen Nutzen dieses Films. Außerdem muss man einen Film nicht gleich ablehnen, nur weil man nicht dieselben Ansichten vertritt. Stattdessen kann man sich herausgefordert fühlen, seine Ansichten zu überdenken und zu modifizieren oder auch sich dadurch wieder bewusst zu machen, warum man von der eigenen Position nicht abweichen will.