Hallo Wolke,
Gewiss. Aber das ist meist ein unendlich länger Kampf.
Nein, denn die Bedeutungen und Wertungen verschieben sich. Unter denselben Wörten kann die Öffentlichkeit zu verschiedneen zeiten verschiedenes verstehen, und dieser Bedeutungswandel vollzieht sich mal gefühlt unendlich langsam, mal sehr plötzlich.
Die Mächtigen haben nie ihre Wertungen und sprachlichen Bedeutungszuweisungen für immer konservieren können. Es steht unumstößlich fest: Es gibt da in der Geschichte einen permanenten Wandel, den die Mächtigen nicht aufhalten können. Und die Welt die die Mächtigen errichten wollten, sah, als sie meinten es geschafft zu haben, dann doch sehr anders aus als sie das dachten.
Was ist zu tun? Nichts. Denn den Widerstand hat das System schon eingerechnet, Widerstand bestätigt nur die Macht des Systems. Warten und analysieren.
Doch, man kann/soll/muss etwas tun. Denn der Wandel ist nicht unabhängig vom Handeln der Menschen! Es gibt gescheiterte und gelungene Revolutionen. Der Bauernaufstand fuffzehnhundertirgendwas war gründlich gescheitert. Wäre er gglück, hätte sich eine gräßliche gewalttätige Diktatur entwickelt, in der sehr bald ebenfalls Widerstand erwacht wäre.
Anders die französische Revolution. Die ist faszinierend und schillernd, denn sie führte zum Sturz der Mächtigen und einem durchgreifenden Wandel von Bedeutungen, und zwar in ganz Europa. Auch nach dem Wiener Kongress, der die vorrevolutionären Verhältnisse scheinbar wiederhergestellt hatte, waren die Staaten durchsetzt von den neuen Ideen. Weder der Revolution noch den später mächtigen Siegern der sog. Befreiungskriege war es gelungen, ihre Wertvorstellungen durchzusetzen.
Der Wandel vollzog sich über die Köpfe der Mächtigen hinweg. Grashalme sind sie im Winde der Geschichte!
Halten wir also fest: Es gibt einen permanenten (von mir aus sprachlichen) Bedeutungs- und Wertewandel. Und der wandel vollzog sich immer gegen den Willen derer die von den bisher herrschenden verhältnissen profitierten und mächtig waren.
Wer ist also der mächtige, "große Andere"? Ein Phantom, eine Konstruktion aus den manchmal vielfältigen widersprüchlichen Strömungen der Geschichte, und eins ist sicher: Je nachdrücklicher und gewalttätiger er seine Herrschaft über Bedeutungen einfordert, um so größer ist der Widerstand.
Der bestand nie aus Anwarten und Anal-lysieren. Es gab zu ihrer Zeit sicherlich scharfsinnige Analysten, wie seinerzeit Luther, aber gehandelt haben andere. auf seine Analysen beriefen sich die Bauern - und obwohl sie den Krieg verloren, waren sie unwiderruflich als eine Partei auf der Bühne der geschichte erschienen und hörten auf, bloße Verfügungsmasse zu sein.
Ihr Handeln erzeugte zwar enormen Gegendruck, so dass die Historiker bis heute teilweise noch meinen, die Sache der Bauern wäre dadurch eher zurückgeworfen worden, aber der Gegendruck des Adels warf unvermeidlich die ständige Frage nach seiner Rechtfertigung auf.
Nein. Es gibt eine Universale in dieser Welt, die in jeder Zeit und an jedem Ort gilt - und daran orientieren sich alle Studien Lacans: die Sprache.
Der Satz ist groß und heischt Allgemeingültigkeit. Indem ich sie ihm zugestehe, fällt er in sich zusammen wie ein zu schnell abgekühlter Hefekuchen: Klar werden alle bedeutungen über Sprache vermittelt, aber die ist nicht nur zeitlich sondern auch räumlich und je nach sozialer Umgebung unterschedlich. Das Wort "Polizei" führt bei dem einen zu wohligem Sicherheitsgefühl, für den anderen zu einem Adrenalinstoß. Hier und jetzt, je nach gefühlter Parteizugehörigkeit (Nebenbei: allein das zeigt, dass es keinem Staat gelingt, eine Ordnung auch nur ansatzweise zu etablieren, die für alle im Wortsinne gültig ist!)
Außerdem - und das ist ein wesentlcher Faktor von historischen Missverständnissen - ist eine feste sprachliche Bedeutungszuweisung in unterschiedlichen kulturellen Umgebungen auch unterschiedlich ausgeprägt:
Lacan war nur in einer Kultur möglich, in der Eindeutigkeit eine alles überragende Forderung ist.
Ich predige seit Jahren den Pervs, dass dieses Streben nach Eindeutigkeit, sprachlicher Klärung von Verhältnissen und Beziehungen für sie tödlich ist, wo ihre "Perversion", einmal erkannt, sie zu Ausgestoßenen macht. Outen kann man sich da wo ohnehin nix zu retten ist, in einer schrägen Subkultur wo keiner wirklich noch was verlieren kann.
Es gibt einen Zauber, der auch hier und jetzt ein gutes Pädo-Leben möglich macht. Ihn zu verstehen, fordert den Verzicht auf die anerzogene und mächtigste Stütze unserer Kultur, nämlich dem Streben nach begrifflicher Eindeutigkeit.
Man kann vermeiden, dass das, was zwischen Perv und Kind geschieht, in den vernichtenden Mahlstrom der Eindeutigkeit gerissen wird, indem es erstens nicht angesprochen wird und zweitens indem es nicht nicht angesprochen wird. Danach gefragt, wundert man sich, dass es nicht als Selbstverständlichkeit gesehen wird. Doe Rechtfertigung ist immer schon da - sie besteht in der von niemandem wegzuleugnenden Zuneigung der kleinen Freundin. Die Erklärung "Der ist pervers!" ist eine von den möglichen Erklärungen, aber eine, die sehr fern liegt, weil der erwachsene Freund des Mädchens völlig normal integriert ist und nicht zum Bild des Perversen passt.
Weil die anderen früher oder später dem Zwang zur Eindeutigkeit unterliegen ist sehr oft die stabile Einschätzung "der ist nicht pervers" das Ergebnis, das manchmal sogar polizeiliche Ermittlungen übersteht.
Das Zulassen und Fördern von Mehrdeutigkeit die nicht mehr zu einer Auflösung geführt wird, ist auch ein erfolgreicher Feldzug gegen die lacansche Anmaßung.
Wenn das gelingt, braucht es micht nicht zu kümmern, ob im fernen Berlin oder Washington weiter die Gobbels' und Goebellinen zetern!
Sakura