Am 12.07.2013 hielt Malala eine Rede vor der Uno in New York. Es ist der 16. Geburtstag Malalas, und die Uno hat diesen Tag mit einer "Jugend-Generalversammlung" zum "Malala-Day" ausgerufen. Über 500 Kinder und Jugendliche aus allen Nationen waren anwesend.
Das Transskript dieser Rede habe ich mal übersetzt, weil's offenbar niemand sonst macht.
Im Namen Gottes, des Wohltätigsten und Gnädigsten.
Ehrenwerter UN-Sekretär General Herr Ban Ki-Moon, verehrter Präsident der Vollversammlung Vuk Jeremić, ehrenwerter UN-Sonderbeauftragter für globale Bildung Gordon Brown, verehrte Älteste und meine lieben Brüder und Schwestern: Assalamu alaikum.
Es ist mir heute eine Ehre, nach einer langen Zeit wieder zu sprechen. Mit solch ehrenwerten Menschen hier zu sein ist ein großer Moment in meinem Leben und es ist eine Ehre für mich, dass ich heute einen Schal der verstorbenen Benazir Bhutto tragen darf. Ich weiß nicht, wo ich meine Rede anfangen soll. Ich weiß nicht, was die Leute von mir erwarten, aber zuallererst Danke an Gott, für den wir alle gleich sind, und danke an jeden Menschen, der für meine schnelle Genesung und mein neues Leben gebetet hat. Ich kann kaum glauben, wieviel Liebe die Menschen mir gezeigt haben. Ich habe tausende von "Gute-Besserung"-Karten und -Geschenken aus aller Welt erhalten. Danke für jedes davon. Danke an die Kinder, deren treuherzige Worte mich ermutigt haben. Danke an meine Ältesten, deren Gebete mich gestärkt haben. Ich möchte meinen Pflegern und Doktoren danken und dem Krankenhauspersonal in Pakistan und den UK und der UAE-Regierung, welche mir zur Besserung und Wiederherstellung meiner Stärke verholfen haben.
Ich unterstütze UN-Sekretär Ban Ki-Moon in seiner "Globale Bildung Zuerst"-Initiative und die Arbeit des Sonderbeauftragten für Bildung, Gordon Brown, und den Präsidenten der Vollversammlung, Vuk Jeremić, voll und ganz. Ich danke ihnen für ihre Führung, welche sie uns weiterhin geben. Sie inspirieren jeden von uns beständig, zu handeln. Liebe Brüder und Schwestern, denkt an eine Sache: Malala-Tag ist nicht mein Tag. Heute ist der Tag jeder Frau, jedes Jungen und jedes Mädchens, welche ihre Stimme für ihre Rechte erhoben haben.
Es gibt hunderte von Menschenrechtsaktivisten und Sozialarbeitern, welche nicht nur ihre Stimme für ihre Rechte erheben, sondern welche dafür kämpfen, ihre Ziele hinsichtlich Frieden, Bildung und Gleichberechtigung zu erreichen. Tausende von Menschen sind von Terroristen getötet worden und Millionen wurden verletzt. Ich bin bloß eine von ihnen. So bin ich nun hier. Hier bin ich nun, ein Mädchen unter vielen. Ich spreche nicht für mich selbst, sondern für die ohne Stimme. Für die, die für ihre Rechte gekämpft haben, für ihr Recht auf ein Leben in Frieden. Für ihr Recht darauf, mit Würde behandelt zu werden. Für ihr Recht auf Gleichheit ihrer Chancen. Ihr Recht, ausgebildet zu werden.
Liebe Freunde, am 9. Oktober 2012 schossen mir die Taliban in die linke Seite meiner Stirn. Sie schossen auch auf meine Freunde. Sie dachten, dass die Kugeln uns zum Schweigen bringen, aber sie irrten sich. Denn aus dem Schweigen kamen tausende von Stimmen. Die Terroristen dachten, sie könnten meine Ziele ändern und meine Ambitionen stoppen. Aber in meinem Leben änderte sich nichts außer dies: Schwäche, Angst und Hoffnungslosigkeit starben. Stärke, Kraft und Mut wurden geboren.
Ich bin dieselbe Malala. Meine Ambitionen sind dieselben. Meine Hoffnungen sind dieselben. Und meine Träume sind dieselben. Liebe Schwestern und Brüder, ich bin nicht _gegen_ jemand. Weder bin ich hier, um Worte der persönlichen Rache gegen die Taliban zu sprechen, noch gegen irgendeine andere Terroristenvereinigung. Ich bin hier, um für die Rechte jedes Kindes auf Bildung zu sprechen. Ich möchte Bildung für die Söhne und Töchter der Taliban und der anderen Terroristen und Extremisten! Ich hasse noch nicht einmal die Taliban, die auf mich schossen. Selbst, wenn ich eine Knarre in der Hand hätte und ihnen gegenüberstände, würde ich nicht schießen. Das ist das Mitgefühl, was ich von Mohammed, dem Prophet der Gnade, Jesus Christus und Buddha gelernt habe. Das ist das Erbe des Umbruchs, welches ich geerbt habe von Martin Luther King, Nelson Mandela und Mohammed Ali Jinnah. Das ist die Philosophie der Gewaltlosigkeit, die ich von Gandhi, Badshah Khan und Mutter Teresa gelernt habe. Und das ist die Versöhnlichkeit, die ich von meinem Vater und meiner Mutter gelernt habe. Das ist, was meine Seele mir sagt: sei friedlich und habe Liebe für jeden.
Liebe Schwestern und Brüder, wir realisieren die Bedeutung des Lichtes, wenn wir Dunkelheit wahrnemen. Wir realisieren die Wichtigkeit unserer Stimme, wenn wir zum Schweigen gebracht werden. Auf dieselbe Weise realisierten wir die Wichtigkeit von Stiften und Büchern, als wir nur Waffen sahen in Swat, dem Norden von Pakistan. Die Weisen sagen: "Der Stift ist mächtiger als das Schwert." Es ist wahr. Die Extremisten fürchten sich vor Büchern und Stiften. Die Macht der Bildung ängstigt sie. Das ist es, warum sie in der jüngsten Attacke in Quetta 14 unschuldige Studenten töteten. Und das ist, warum sie weibliche Lehrer umbringen. Das ist es, warum sie jeden Tag Schulen sprengen: weil sie Angst hatten und haben vor dem Wechsel und der Gleichstellung, den wir unserer Gesellschaft bringen werden. Und ich weiß noch, wie einmal ein Junge in unserer Schule, als er von einem Journalisten gefragt wurde, warum die Taliban gegen Bildung seien, sehr einfach antwortete, indem er auf sein Buch zeigte und sagte: "ein Talib weiß nicht, was in dem Buch geschrieben steht."
Die denken, Gott sei ein klitzekleines, konservatives Etwas, was Kanonen auf die Köpfe von Leuten richtet, für nichts weiter, als dass sie zur Schule gehen. Diese Terroristen missbrauchen den Namen des Islam für ihre eigenen, persönlichen Vorteil. Pakistan ist ein friedliebendes, demokratisches Land. Paschtunen wollen Ausbildung für ihre Töchter und Söhne. Der Islam ist eine Religion des Friedens, der Humanität und der Brüderlichkeit. Es sei Pflicht und Verantwortlichkeit, jedem Kind Bildung zu ermöglichen, sagt er. Frieden ist die Voraussetzung für Bildung. In vielen Teilen der Welt, speziell in Pakistan und Afghanistan, halten Krieg und Terrorismus Kinder davon ab, zur Schule zu gehen. Wir sind diese Kriege gründlich leid. Frauen und Kinder leiden in mancherlei Weise in vielen Teilen der Welt.
In Indien sind unschuldige und arme Kinder Opfer von Kinderarbeit. In Nigeria sind viele Schulen zerstört worden. In Afghanistan sind die Leute vom Extremismus betroffen. Junge Mädchen müssen häusliche Kinderarbeit verrichten und werden in jungen Jahren zwangsverheiratet. Armut, Ignoranz, Ungerechtigkeit, Rassismus und der Entzung der Grundrechte sind die Hauptprobleme, mit denen sich beide, Männer und Frauen, konfrontiert sehen.
Heute will ich mich auf die Rechte der Frauen und die Ausbildung der Mädchen konzentrieren, denn die haben am meisten zu leiden. Es gab mal eine Zeit, als Frauenrechtlerinnen Männer bitten mussten, für ihre Rechte einzutreten. Aber diesmal werden wir es selbst durchziehen. Ich werde keinem Mann sagen, er solle aufhören, für Frauenrechte einzutreten, aber ich richte mich an Frauen, unabhängig zu sein und für sich selbst zu kämpfen. Daher, liebe Schwestern und Brüder, ist es jetzt Zeit, lauter zu werden. Also rufen wir die Führungspersönlichkeiten dieser Welt auf, ihre strategischen Richtlinien zu ändern zugunsten des Friedens und des Wohlstands. Wir rufen die Mächtigen der Welt auf, dass bei allen ihren Geschäften die Rechte der Frauen und Kinder zu schützen sind. Ein Handel, welcher die Frauenrechte verletzt, ist unakzeptabel. Wir rufen alle Regierungen auf, kostenlose und obligatorische Bildung für jedes Kind auf der ganzen Welt zuzusichern. Wir rufen die Regierungen auf, gegen Terrorismus und Gewalt zu kämpfen; Kinder vor Gewalt und Verletzung zu bewahren. Wir rufen die entwickelten Länder auf, die Entwicklungsländer in der Erweiterung der Bildungsmöglichkeiten für Mädchen zu unterstützen. Wir rufen alle Gesellschaften auf, tolerant zu sein, Vorurteile aufgrund von Gesellschaftsklasse, Glauben, Absonderung, Farbe, Religion oder Ansichten zu verwerfen, um Freiheit und Gleichheit der Frauen zum Blühen zu bringen. Wir können nicht allesamt erfolgreich sein, wenn die Hälfte von uns zurückgehalten wird. Wir rufen unsere Schwestern rund um die Welt auf, tapfer zu sein, ihre innere Stärke anzunehmen und sich ihres vollen Potentials bewußt zu werden.
Liebe Brüder und Schwestern, wir wollen Schulen und Bildung für eine strahlende Zukunft jedes Kindes. Wir werden unsere Reise zum Ziel "Frieden und Bildung" fortsetzen. Niemand kann uns aufhalten. Wir werden unsere Stimme erheben für unsere Rechte und wir werden lauter werden. Wir glauben an die Macht und die Kraft unserer Worte. Unsere Worte können die Welt verändern, weil wir alle zusammen stehen, vereint für die Sache der Bildung. Und wenn wir unser Ziel erreichen wollen, dann lasst uns uns selbst stärken mit der Waffe des Wissens und lasst uns uns selbst schützen mit Einheit und Zusammenhalt.
Liebe Brüder und Schwestern, wir dürfen nicht vergessen, dass Millionen von Menschen unter Armut, Ungerechtigkeit und Unwissenheit zu leiden haben. Wir dürfen nicht vergessen, dass Millionen von Kindern aus der Schule ausgeschlossen sind. Wir dürfen nicht vergessen, dass unsere Schwestern und Brüder auf eine strahlende, friedliche Zukunft hoffen.
So lasst es uns angehen. Lasst uns einen ruhmreichen Kampf führen gegen Analphabetismus, Armut und Terrorismus, lasst uns unsere Bücher und Stifte nehmen, denn sie sind die mächtigsten Waffen. _Ein_ Kind, _ein_ Lehrer, _ein_ Buch und _ein_ Stift können die Welt verändern. Bildung ist die einzige Lösung. Bildung zuerst.
Danke.