keksi hat geschrieben:
astrid lindgren hat einmal sinngemäß gesagt, dass man sich bewusst werden könne, wie oft, wie sehr und in welchem maße täglich die grenzen der kinder verletzt werden, wenn man sich vorstellen würde, so mit erwachsenen umzugehen, wie man ganz selbstverständlich mit kindern umgeht...
Die Grenzen der Kinder? Klingt für mich wie blanker Hohn, da eine Grenze normalerweise gezogen wird, um etwas von Einflüssen von aussen zu schützen.
Die Grenze ist schon dann überschritten, wenn ein Kind deutlich spüren muss, das es den Erwachsenen untergeordnet ist.
"Wenn der Kuchen redet, haben die Krümel Pause."
"Dafür bist du noch zu klein."
"Du bist gefälligst still, wenn die Erwachsenen sich unterhalten."
"Du machst das so, weil ich das sage."
Die meisten nennen sowas Erziehung. Für mich ist das eine Grenzverletzung, die insbesondere dem Aufbau eines gesunden Selbstbewusstseins schadet.
Ich muss mit Kevin nicht diskutieren, wenn er die Terassentür schliessen soll, weil sonst Fliegen reinkommen, und er der Meinung ist, die muss aufbleiben, weil dann die Fliegen rausfliegen können. Ich kann das begründen, ein, zwei Mal, und dann darf ich "als Erwachsener" auch mal auf den Tisch hauen und sagen, er soll die verdammte Tür zumachen, weil es sonst Ärger mit mir gibt.
Aber dieses pauschalisierte "ich Chef, du nix"-Gehabe, was ich immer und immer wieder sehe und erlebe, geht mir gehörig auf den Sack.
Nie können diese "Erziehungsberechtigten" ihrem Kind mal auf Augenhöhe begegnen, das wäre ja unter ihrer Würde. Und ja, wenn ich einem Kind auf Augenhöhe begegnen will, muss ich mich verdammt noch mal hinknien.
Den Allermeisten scheint das zu anstrengend, und vor allem aus tiefster Überzeugung sinnlos, weil "das dumme Kind" ja eh keine Ahnung hat.
Die selben "Erziehungsberechtigten" wundern sich dann, wenn bei ihrem Kind, wenn es erst einmal 15 ist, eben NICHT der magische Schalter umgelegt wird, wo man dann plötzlich Verantwortungsbewusstsein und Verständnis für zwischenmenschliche Dinge wie Einfühlungsvermögen etc. erlangt.
Wenn Kevin sich dann prächtig zur emotionslosen Rotzgöre entwickelt hat, zucken diese "Erziehungsberechtigten" dann nur noch mit den Achseln und fragen sich "woher er das nur hat".
Es gibt unendlich viele Wege, die Grenzen von Kindern zu verletzen, aber um es nochmal zu sagen, der Weg, der den meisten Schaden verursacht und am meisten überall um uns herum geschieht, der wird von einem Grossteil "Erziehung" genannt.
Hier passt sehr gut etwas rein, was mich schon immer berührt hat, ist von Bettina Wegner:
Sind so kleine Hände, winz'ge Finger dran.
Darf man nie drauf schlagen, die zerbrechen dann.
Sind so kleine Füsse, mit so kleinen Zeh'n.
Darf man nie drauf treten, könn'sie sonst nicht geh'n.
Sind so kleine Ohren, scharf und ihr erlaubt.
Darf man nie zerbrüllen, werden davon taub.
Sind so schöne Münder, sprechen alles aus.
Darf man nie verbieten, kommt sonst nichts mehr raus.
Sind so klare Augen, die noch alles seh'n.
Darf man nie verbinden, könn'n sie nichts versteh'n.
Sind so kleine Seelen, offen und ganz frei.
Darf man niemals quälen, geh'n kaputt dabei.
Ist so'n kleines Rückgrat, sieht man fast noch nicht.
Darf man niemals beugen, weil es sonst zerbricht.
Grade klare Menschen, wär'n ein schönes Ziel.
Leute ohne Rückgrat, hab'n wir schon zuviel.
Die Grenzen von Kindern werden wohl deshalb so oft verletzt, weil ihnen kaum jemand Grenzen zugesteht. Weil ihnen niemand eine eigene Persönlichkeit zugesteht.