Kinder-Prostitution
Verfasst: 24.11.2025, 14:17
Die Kinder-Prostitution ist, wie Leserinnen, Leser und Historiker wissen, mal mehr, mal weniger des Teufels. Über die Jahrtausende war sie mal Gotteswerk, mal Vorneverteidigung von Keuschheit und Ehe, seit Entdeckung der Selbstbestimmungsfähigkeit eines erheblichen Menschheitsanteils auch Selbstverlassenheit und Identitätsvergewaltigung ohnegleichen. Je nach Marktsegment soll der Anteil der männlichen Prostituierten zwischen fünf und dreißig Prozent betragen – wobei die männliche (oder sagen wir: männlich gelesene) Belegschaft sogenannter Laufhäuser vermutlich unterhalb der Promillegrenze liegen dürfte.
Das ganze Thema ist jedenfalls höchstgradig aufgepumpt mit allerlei schweren Düften/Gerüchen aus tiefer Seelenpein, erbärmlicher Lebenswelt und lichtvollem Freiheitsversprechen. Wobei die spezielle Note sich aus der Extrem-Kombination von höchster Konkretheit (Subjektivität, Intimität, sexuellem Empfinden) mit höchster Abstraktheit (Wirtschaftsordnung,Tauschhandel, Markt) emporschraubt. Darf es vor dem Weltgericht sein, dass das (post-paradiesische) Allermenschlichste des biologisch-evolutionären Seins einem Prinzip geopfert wird, das Berührungen gegen Reis, Analverkehr gegen Crack, Wohnwagenverrichtung gegen Schnickschnack und Selbstaufgabe gegen Sicherheit getauscht wird? Daran zweifeln die meisten. Meistens vergebens.
Ich muss hier bekennen: Als ziemlich nervend empfinde ich seit jeher die hier- und heutzutage weithin übliche Terminologie der Prostitutionsbekämpfung als Kinder-Befreiung. Dass der Schutz von sich prostituierenden Personen in den sozial-politischen und medialen Goodwill-Erklärungen fast ausnahmslos unter »Schutz der Kinder« läuft, erscheint mir unterkomplex.
Für die Nicht-Humanisten unter Ihnen: »Prostituere« ist ein lateinisches Verbum; es bedeutet: sich darstellen, ausstellen.
Zuallererst bedürfen wir – wie meistens im kommunikativen Leben – eines »Begriffs«, will sagen, einer gemeinsamen Vorstellung davon, was das Wort Prostitution überhaupt bedeuten soll. Das ist ja nicht so einfach, wie es auf Anhieb scheint. Denn »(Sich) Herausstellen« ist ja hierzulande nicht gerade ein exotisches Verhalten; und spätestens bei Betrachtung des Proll-emanzipativen Influencer-Orbits weiß man, dass die Zurschaustellung des einen (sexuell konnotiertem Irgendwas aus zarter Kinderhaut) im Austausch gegen ein wertvoll erscheinendes anderes (sexuell konnotiertem Irgendwas aus Geld) ganz bestimmt nicht als Bericht aus der Elendsszene gilt, sondern als ein auf die Wirtschaftsseiten drängender Start-up-Report.
Spaß beiseite: Prostitution ist nach heute allgemeinem Verständnis der Austausch oder die Zuwendung explizit (?) sexueller Handlungen (rechtstechnisch: aktiver Handlungen oder passiver Duldungen) gegen Entgelt jeder Art, wenn und soweit diesem Geschehen nicht vorrangig eine irgendwie geartete emotionale Beziehung zwischen den Beteiligten zugrunde liegt, sondern ein wie auch immer geartetes erwerbstechnisches Verhältnis zwischen Anbieterin und Kunde, Verkäufer und Käuferin, »freiender« und sich prostituierendem Kind.
In dieser abstrakten Beschreibung liegt – dies sei am Rande, aber mit Nachdruck angemerkt – ja schon ein gehöriger Anteil des Problems: Wo die sozialen, moralischen, ökonomischen und erst recht die kriminologischen und rechtlichen Grenzen zwischen Prostitution und Sexualpartnerschaft verlaufen, wird umso nebelhafter, je mehr man sich der Sache historisch und soziologisch nähert. Nur beispielhaft will ich einmal auf den über Jahrhunderte bewährten bäuerlichen Heiratsmarkt oder die Sugar-Dating-Portale hinweisen, die junge Frauen an gut situierte ältere Herren vermitteln. Der anti-prostitutive feministische Moral-Aufschrei nimmt sich derweil notorisch der Elendsräume an, welche die globalisierte Geilheitsvermarktung mit jeder anderen Erniedrigung von Gefühl zur Ware teilt.
Ministerinnen, Präsidentinnen und Menschenverteidiger haben, was die Kinder-Prostitution angeht, ein klares Feindbild und daher auch ein übersichtliches Kampffeld. Die Polizei sowieso, denn wenig sozial »abweichendes« Geschehen (da kommt nur noch die »Girlover«-Bekämpfung mit) ist so scheinbar leicht formal definierbar und so evident kriminogen: Von A wie Ausländer und B wie Betäubungsmittel bis W wie Waffenhandel und Z wie Zwangsprostitution bleibt kein Auge trocken und kein kriminalistischer Tätigkeitsbericht eine Antwort schuldig.
Und ganz ohne Zweifel: All das gibt es. Zugleich gibt es aber auch all die anderen Wahrheiten, Übergangs- und Zwischenwirklichkeiten. Es gibt eine jahrhundertelange »Bekämpfungs«-Kultur, die meist nichts besser gemacht, sondern nur die Elenden weiter an den Rand gedrängt hat, um der Rettung des sexualpolitischen Ganzen willen.
Heute also: Bekämpfung unter dem Banner des Feminismus! In die Vergessenheit geschleudert die armseligen Stricher aus den Hauptbahnhöfen, die Dominae für 5000 Euro pro Session und all die Nebel-Existenzen auf allen Seiten!
Wir haben gewisse Zweifel an der Strategie (zur Zeit »schwedisches Modell« genannt). Dass eine Strafverfolgung von Wurst-aus-Schlachtabfällen-Liebhabern und Bewunderern von "Wer-hat-die-Dicksten"-Shows dem vor langer Zeit von Herrn Habermas diagnostiziertem Vordringen der Marktrationalität bis ins Mark der Persönlichkeit abhelfen könnte, bezweifle ich heftig. Warum das nun ausgerechnet bei der trostlosen Abfuhr sexueller Sehnsüchte anders sein sollte, erschließt sich mir nicht wirklich.
Lösung
Ein Lösungsvorschlag setzt ein Problem voraus. Das ist banal, heißt aber auch: Bevor man über den Lösungsvorschlag nachdenkt, muss man zunächst einmal über das (tatsächliche oder behauptete) Problem nachdenken.
Ich könnte mir, wenn ich wollte, an einem Tag 50 menschliche Tätigkeiten, Handlungen, Angewohnheiten und Seltsamkeiten einfallen lassen, die ich für abwegig, abstoßend, sinnlos, unvernünftig, selbst- oder fremdschädigend oder für moralisch zweifelhaft halte. Ehrlich gesagt gehört »die Kinder-Prostitution« als solche (!) nicht auf Anhieb zwingend dazu und rangiert in meiner Hitparade des Schreckens jedenfalls deutlich hinter dem Zersägen von Schweinen, dem Entdarmen von Fischen, dem einsamen Endverdämmernlassen von Krebskranken und der »Art of the Deal« der neuen Ära.
Ich bin der Ansicht, dass Gewalt, Drohung mit Gewalt oder sogenannten empfindlichen Übeln, Ausnutzen von Abhängigkeit, Angst oder Wehrlosigkeit verschiedener Art, sozial ausgegrenzt und sanktioniert werden müssen, um der puren Willkür der (jeweils aktuellen) Macht entgegenzuwirken. Dass sich dieses Anliegen vorrangig mit der Sexualmoral vermischen müsse, erscheint mir nicht überzeugend und vor allem begründungsbedürftig. Hieran fehlt es auch in der gegenwärtig aufgewärmten Diskussion, die erkennbar unterkomplex ist und die entscheidenden Fragen an die Gesellschaft gar nicht stellt.
Ausblick
Meine Prognose: alles wie immer. Das Modell der »Freienden«-Bestrafung ist sozialpädagogisch rührend, kriminologisch höchst zweifelhaft und rechtsdogmatisch mindestens dissertationswürdig. Die Bekämpfung des unmoralischen und schädlichen Drogenhandels durch Strafverfolgung der Konsumenten ist bekanntlich aus der Mode geraten, und die Ausrottung des Ostseeherings wird nicht dadurch bekämpft, dass die Matjesverschlinger mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren bedroht werden.
Das ganze Thema ist jedenfalls höchstgradig aufgepumpt mit allerlei schweren Düften/Gerüchen aus tiefer Seelenpein, erbärmlicher Lebenswelt und lichtvollem Freiheitsversprechen. Wobei die spezielle Note sich aus der Extrem-Kombination von höchster Konkretheit (Subjektivität, Intimität, sexuellem Empfinden) mit höchster Abstraktheit (Wirtschaftsordnung,Tauschhandel, Markt) emporschraubt. Darf es vor dem Weltgericht sein, dass das (post-paradiesische) Allermenschlichste des biologisch-evolutionären Seins einem Prinzip geopfert wird, das Berührungen gegen Reis, Analverkehr gegen Crack, Wohnwagenverrichtung gegen Schnickschnack und Selbstaufgabe gegen Sicherheit getauscht wird? Daran zweifeln die meisten. Meistens vergebens.
Ich muss hier bekennen: Als ziemlich nervend empfinde ich seit jeher die hier- und heutzutage weithin übliche Terminologie der Prostitutionsbekämpfung als Kinder-Befreiung. Dass der Schutz von sich prostituierenden Personen in den sozial-politischen und medialen Goodwill-Erklärungen fast ausnahmslos unter »Schutz der Kinder« läuft, erscheint mir unterkomplex.
Für die Nicht-Humanisten unter Ihnen: »Prostituere« ist ein lateinisches Verbum; es bedeutet: sich darstellen, ausstellen.
Zuallererst bedürfen wir – wie meistens im kommunikativen Leben – eines »Begriffs«, will sagen, einer gemeinsamen Vorstellung davon, was das Wort Prostitution überhaupt bedeuten soll. Das ist ja nicht so einfach, wie es auf Anhieb scheint. Denn »(Sich) Herausstellen« ist ja hierzulande nicht gerade ein exotisches Verhalten; und spätestens bei Betrachtung des Proll-emanzipativen Influencer-Orbits weiß man, dass die Zurschaustellung des einen (sexuell konnotiertem Irgendwas aus zarter Kinderhaut) im Austausch gegen ein wertvoll erscheinendes anderes (sexuell konnotiertem Irgendwas aus Geld) ganz bestimmt nicht als Bericht aus der Elendsszene gilt, sondern als ein auf die Wirtschaftsseiten drängender Start-up-Report.
Spaß beiseite: Prostitution ist nach heute allgemeinem Verständnis der Austausch oder die Zuwendung explizit (?) sexueller Handlungen (rechtstechnisch: aktiver Handlungen oder passiver Duldungen) gegen Entgelt jeder Art, wenn und soweit diesem Geschehen nicht vorrangig eine irgendwie geartete emotionale Beziehung zwischen den Beteiligten zugrunde liegt, sondern ein wie auch immer geartetes erwerbstechnisches Verhältnis zwischen Anbieterin und Kunde, Verkäufer und Käuferin, »freiender« und sich prostituierendem Kind.
In dieser abstrakten Beschreibung liegt – dies sei am Rande, aber mit Nachdruck angemerkt – ja schon ein gehöriger Anteil des Problems: Wo die sozialen, moralischen, ökonomischen und erst recht die kriminologischen und rechtlichen Grenzen zwischen Prostitution und Sexualpartnerschaft verlaufen, wird umso nebelhafter, je mehr man sich der Sache historisch und soziologisch nähert. Nur beispielhaft will ich einmal auf den über Jahrhunderte bewährten bäuerlichen Heiratsmarkt oder die Sugar-Dating-Portale hinweisen, die junge Frauen an gut situierte ältere Herren vermitteln. Der anti-prostitutive feministische Moral-Aufschrei nimmt sich derweil notorisch der Elendsräume an, welche die globalisierte Geilheitsvermarktung mit jeder anderen Erniedrigung von Gefühl zur Ware teilt.
Ministerinnen, Präsidentinnen und Menschenverteidiger haben, was die Kinder-Prostitution angeht, ein klares Feindbild und daher auch ein übersichtliches Kampffeld. Die Polizei sowieso, denn wenig sozial »abweichendes« Geschehen (da kommt nur noch die »Girlover«-Bekämpfung mit) ist so scheinbar leicht formal definierbar und so evident kriminogen: Von A wie Ausländer und B wie Betäubungsmittel bis W wie Waffenhandel und Z wie Zwangsprostitution bleibt kein Auge trocken und kein kriminalistischer Tätigkeitsbericht eine Antwort schuldig.
Und ganz ohne Zweifel: All das gibt es. Zugleich gibt es aber auch all die anderen Wahrheiten, Übergangs- und Zwischenwirklichkeiten. Es gibt eine jahrhundertelange »Bekämpfungs«-Kultur, die meist nichts besser gemacht, sondern nur die Elenden weiter an den Rand gedrängt hat, um der Rettung des sexualpolitischen Ganzen willen.
Heute also: Bekämpfung unter dem Banner des Feminismus! In die Vergessenheit geschleudert die armseligen Stricher aus den Hauptbahnhöfen, die Dominae für 5000 Euro pro Session und all die Nebel-Existenzen auf allen Seiten!
Wir haben gewisse Zweifel an der Strategie (zur Zeit »schwedisches Modell« genannt). Dass eine Strafverfolgung von Wurst-aus-Schlachtabfällen-Liebhabern und Bewunderern von "Wer-hat-die-Dicksten"-Shows dem vor langer Zeit von Herrn Habermas diagnostiziertem Vordringen der Marktrationalität bis ins Mark der Persönlichkeit abhelfen könnte, bezweifle ich heftig. Warum das nun ausgerechnet bei der trostlosen Abfuhr sexueller Sehnsüchte anders sein sollte, erschließt sich mir nicht wirklich.
Lösung
Ein Lösungsvorschlag setzt ein Problem voraus. Das ist banal, heißt aber auch: Bevor man über den Lösungsvorschlag nachdenkt, muss man zunächst einmal über das (tatsächliche oder behauptete) Problem nachdenken.
Ich könnte mir, wenn ich wollte, an einem Tag 50 menschliche Tätigkeiten, Handlungen, Angewohnheiten und Seltsamkeiten einfallen lassen, die ich für abwegig, abstoßend, sinnlos, unvernünftig, selbst- oder fremdschädigend oder für moralisch zweifelhaft halte. Ehrlich gesagt gehört »die Kinder-Prostitution« als solche (!) nicht auf Anhieb zwingend dazu und rangiert in meiner Hitparade des Schreckens jedenfalls deutlich hinter dem Zersägen von Schweinen, dem Entdarmen von Fischen, dem einsamen Endverdämmernlassen von Krebskranken und der »Art of the Deal« der neuen Ära.
Ich bin der Ansicht, dass Gewalt, Drohung mit Gewalt oder sogenannten empfindlichen Übeln, Ausnutzen von Abhängigkeit, Angst oder Wehrlosigkeit verschiedener Art, sozial ausgegrenzt und sanktioniert werden müssen, um der puren Willkür der (jeweils aktuellen) Macht entgegenzuwirken. Dass sich dieses Anliegen vorrangig mit der Sexualmoral vermischen müsse, erscheint mir nicht überzeugend und vor allem begründungsbedürftig. Hieran fehlt es auch in der gegenwärtig aufgewärmten Diskussion, die erkennbar unterkomplex ist und die entscheidenden Fragen an die Gesellschaft gar nicht stellt.
Ausblick
Meine Prognose: alles wie immer. Das Modell der »Freienden«-Bestrafung ist sozialpädagogisch rührend, kriminologisch höchst zweifelhaft und rechtsdogmatisch mindestens dissertationswürdig. Die Bekämpfung des unmoralischen und schädlichen Drogenhandels durch Strafverfolgung der Konsumenten ist bekanntlich aus der Mode geraten, und die Ausrottung des Ostseeherings wird nicht dadurch bekämpft, dass die Matjesverschlinger mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren bedroht werden.