Pädophilie - Definition, Abgrenzung und Entwicklungsbedingungen


[ Pädophile Mädchenliebhaber ]


Geschrieben von Mario am 24. Juli 2000 17:15:04:

Pädophilie - Definition, Abgrenzung und Entwicklungsbedingungen

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Diesen Beitrag habe ich im Internet gefunden.

http://www.arcados.ch/sonderfall/leipzig/vortrag.leipzig1999se.html

Seikowski, K.


Was ist Pädophilie?
In der letzten Zeit häufen sich im Fernsehen und in der Presse Berichte über "Kinderschänder". Die Begriffe Pädophilie, sexueller Missbrauch, sexueller Missbrauch von Kindern, Täter, Kinderprostitution, Perverse, Sexualverbrecher, Sexmonster, Sexverbrecher, Sexgangster, Sexualmörder, Sexmörder, Pädokriminalität bzw. Pädo-Selbsthilfegruppen als "Sex-Kongress der Kinderschänder" werden so gebraucht, als handele es sich um ein und die gleichen Personen bzw. um ein und das gleiche Phänomen. Dabei sieht die Wirklichkeit ganz anders aus (Holzkamp 1994, 1997). Gleichermassen werden sexuelle Kontakte zwischen Kindern und Erwachsenen aber auch sehr kontrovers diskutiert. Die extremsten Polarisierungen werden von Vogel und Amendt vertreten: Während Amendt (Psychologie heute 1997) diese Kontakte als inzestuöse Beziehungen versteht, spricht Vogel (1993) von "Staatsgewalt gegen Kinder". Es sei nicht zulässig, Kindern vorzuschreiben, welche Form von Sexualität ihnen zustehe.

Es wird erforderlich, genau zwischen diesen einzelnen Begriffen zu unterscheiden.

Was versteht man unter "Pädophilie"? Zunächst muss konstatiert werden, dass dieser Begriff hinsichtlich seiner Definition sehr stark von der Einstellung und der Profession des jeweiligen "Definators" geprägt wird. So werden z.B. bei den mehr kriminologisch orientierten Autoren Gallwitz & Paulus (1999) relativ undifferenziert alle sexuellen Kontakte zwischen Kindern und Erwachsenen als pädophil bezeichnet. Andere Autoren (z.B. Berner 1997) orientieren sich mehr an einer klinischen Perspektive - dem amerikanischen Diagnosesystem DSM 4, wonach Pädophilie eine Störung ist, bei der während eines Zeitraums von mindestens 6 Monaten rezidivierende sexuelle Drangzustände und sexuelle Phantasien auftreten, die auf vorpubertäre Kinder ausgerichtet sind. In dieser Definition wird Pädophilie auf sexuelle Kontakte zwischen Kindern und Erwachsenen reduziert und psychopathologisiert. In soziologisch orientierten Dunkelfeld-Studien (Hoffmann 1996, Lautmann 1994) wurde vor allem der Interaktion zwischen Erwachsenen und Kindern Aufmerksamkeit geschenkt. Dabei konnte auf empirischer Basis nachgewiesen werden, dass Pädophilie weit mehr als der Drang eines Erwachsenen zu sexuellen Kontakten mit Kindern ist. Lautmann (1994) schlussfolgert aus seinen Untersuchungen, es gebe Liebe von Pädophilen zu Kindern ähnlich der Liebe unter Erwachsenen. Und auch Hoffmann (1996) zeigt, wie differenziert und teilweise langfristig die Kontakte zu Kindern (eigentlich ähnlich wie bei Erwachsenen) angelegt sind.

Hinsichtlich der Altersgrenzen für die Kinder legen sich unterschiedliche Autoren auch unterschiedlich fest. Aber selbst unter juristischem Aspekt (Schutzalter) zeigen sich im internationalen Vergleich zum Teil erhebliche Unterschiede (vgl. Graupner 1997).

Zusammenfassend kann man unter Pädophilie eine Beziehung zwischen Erwachsenem und Kind verstehen, die von Seiten des Erwachsenen auch mögliche sexuelle Gefühle einschliesst. Pädophile selbst bzw. deren Interessenvertreter ergänzen: Es bestehen soziale Kontakte zu den Kindern, in denen die kindlichen Wünsche und Bedürfnisse geachtet werden (Kind und Sexualität 1997).

Zu erwähnen ist noch der Begriff der Päderastie. Darunter werden in Abgrenzung zur Pädophilie Männer verstanden, die Liebesbeziehungen einschliesslich Sexualkontakten zu männlichen Jugendlichen suchen.

Auf diesem Hintergrund haben nicht alle sexuellen Kontakte von Erwachsenen zu Kindern pädophilen Charakter. Aus meiner Sicht gibt es 5 verschiedene Personengruppen:

Da wären zunächst die "Pädophilen", die unauffällig wie jeder andere Mensch leben und nie straffällig werden. Pädophilie bedeutet nämlich lediglich, sich mehr als alles andere zu Kindern (pädo-) hingezogen (-philie) zu fühlen. Sie sind selbst in gewisser Weise Kinder geblieben, haben sich die Natürlichkeit von Kindern bewahrt und können sehr gut mit Kindern umgehen. Sie müssen sich auch nicht unbedingt durch Kinder sexuell erregt fühlen.

Dann gibt es die Pädophilen, die Kind geblieben sind, für die Kinder jedoch auch erotisierend wirken. Sie sind oft mit Kindern zusammen, fühlen wie diese, können sich in Kinder auch sehr gut hineinversetzen. Sie empfinden den Schmerz der Kinder, die darunter leiden, zu wenig Zuwendung durch die Eltern zu erlangen. Sie kennen dieses Gefühl aus eigener kindlicher Erfahrung - leiden also auch mit. Sie streben danach, diesen Kindern die fehlende Zuwendung zu geben. Doch genau an dieser Stelle vermischen sich zwei verschiedene Lebensabschnitte (Schmidt 1998 spricht von "Machtungleichgewicht der Partner"), die dem Pädophilen zum Verhängnis werden können: er fühlt zwar wie ein Kind, hat aber ab der Pubertät die Sexualität eines Erwachsenen. Er erfährt, dass eine körperliche Zuwendung (etwa ein Kind in den Arm nehmen - Kinder wünschen sich diese Umarmungen) zu sexueller Erregung führen kann. Er ist frustriert und irritiert - und hat keine Möglichkeit, mit jemandem darüber zu sprechen, da er weiss, dass sein Verhalten straffällige Konsequenzen haben kann. Er ist sich selbst überlassen. Allerdings hat er auch kein Gefühl dafür, dass er einem präpubertären Kind durch sexuelle Handlungen einen schweren Entwicklungsschaden zufügen kann. Er glaubt, mit seiner Zuwendung - die er ja selbst in seiner Kindheit so vermisst hat - dem Kind Gutes zu tun. Das Kind versteht jedoch die Handlungen dieser geachteten Person nicht, da es sich noch nicht in der Pubertät befindet - sexuelle Erregungen wie bei den Erwachsenen vermutlich noch nicht kennt. Körperliche Wärme (z.B. in den Arm genommen werden) empfindet es als angenehm. Es spürt jedoch, dass etwas "nicht gut" war. Auch das Kind ist irritiert.

Dann gibt es aber auch erwachsene Personen, die Kinder sexuell missbrauchen, obwohl sie nicht pädophil sind. Sie sind geltungsbedürftig und haben das Problem, in zwischenmenschlichen Beziehungen wenig kontaktfähig zu sein. Sie haben aber auch einen sexuellen Trieb - und haben erfahren, dass man Kinder aufgrund ihrer körperlichen Unterlegenheit eher zu sexuellen Handlungen zwingen kann. Sie können sich weniger als Erwachsene wehren. Die sexuellen Handlungen mit Kindern sind für diese Personen eine Art Ersatz für normale kommunikative und sexuelle Beziehungen zu gleichwertigen erwachsenen Personen. Sie haben auch nie gelernt, über Sexualität zu sprechen. Die missbrauchten Kinder kennen ihren Missbraucher meist nicht. Er ist ihnen fremd. Aus Angst vor dem Entdecktwerden schrecken diese psychopathologisch auffälligen Personen auch nicht vor Mord zurück, um die Kinder zum Schweigen zu bringen. Man spricht bei dieser Personengruppe oft auch vom "aggressiv-sadistischen Täter".

Es gibt Männer wie Frauen, die in einer festen Beziehung leben, sich aber durch den Partner sexuell unbefriedigt fühlen. Über die vorhandenen sexuellen Probleme und Defizite wird in der Partnerschaft nicht geredet. Sexueller Triebstau (die eigene biologische Sexualität zu wenig kennend bzw. kontrollierend) führt dazu, dass alles Gegengeschlechtliche (manchmal auch Gleichgeschlechtliche) plötzlich sexuell erregend wirkt. Und die Versuchung ist gross und verhindert, sich in die andere Person hineinzuversetzen. Es kommt zum intrafamiliären Missbrauch. Diese Personen werden häufig auch als "Ersatzobjekt-Täter" bezeichnet. Leider haben wir immer wieder beobachtet, dass z.B. Ehefrauen über den Missbrauch der eigenen Tochter bzw. des Sohnes durch die Ehemänner Bescheid wissen. Dieser wird bagatellisiert oder verleugnet. Sie selbst haben dann Ruhe vor dem sexuellen Drängen ihres Partners.

Nicht unerwähnt bleiben sollen kommerzielle Vermarktungen: Es gibt Personen, die sich mit den Neigungen Pädophiler und sexueller Missbraucher von Kindern eine goldene Nase verdienen (z.B. Kinderpornografie und Kinderprostitution). Sie selbst können der Pädophilenszene entstammen, müssen es aber nicht (vgl. Gallwitz & Paulus 1999).

Im Rahmen einer Erkundungsstudie zu sexuellen Kontakten von Frauen zu Kindern fand Knopf (1993) 3 Beziehungstypen: Beziehungen, in denen das Kind als Ersatzobjekt für einen erwachsenen Partner fungiert; Beziehungen, bei denen die "Kindlichkeit" die sexuelle Attraktion ausmacht; und Beziehungen, die eher einen sexuell explorativen Charakter trugen.

Bisherige Vorstellungen zu den Ursachen der Pädophilie lassen sich in 3 Gruppen zusammenfassen:

Es wird angenommen, dass Pädophilie (wie auch andere sexuelle "Deviationen") kompensatorische Funktion erfüllt und einen Ausgleich von Störungen in der eigenen Entwicklung hinsichtlich des Erwachsenwerdens und der eigenen Männlichkeit bzw. Weiblichkeit darstellt (Schorsch et al. 1996).
Des weiteren werden nichtverarbeitete eigene Missbrauchserfahrungen (Missbrauchsumkehr) diskutiert (Ferenczi 1933).
Häufig wird auch a priori unterstellt, dass es sich bei der Pädophilie hinsichtlich der sexuellen Ausrichtung um eine primäre sexuelle Orientierung handelt.

Was ist mit den Kindern?
Im Folgenden soll auf die Beziehung der Kinder zu den Erwachsenen eingegangen werden, 1. die ihnen vertraut sind, und 2. etwas zu den Kindern gesagt werden, die von Personen missbraucht wurden, die ihnen fremd sind.

Zu 1. Am häufigsten findet der sexuelle Missbrauch von Kindern in der Familie selbst statt. In der öffentlichen Diskussion jedoch kommt diese Form des Missbrauchs relativ selten zur Sprache. Oft sind die Familienverhältnisse gestört. Es wird wenig über auftretende Probleme gesprochen. Partnerprobleme sind oft an der Tagesordnung. Auch die in der Familie lebenden Kinder sind von diesen Spannungen betroffen. Kinder sind aber harmoniebedürftig und in dieser Situation für Zuwendung besonders empfänglich. Wenn die Eltern sexuelle Probleme miteinander haben, pädophile Neigungen und/oder ein Triebstau des Vaters vorhanden ist, entsteht eine konfliktreiche Situation: Das Kind ist offen für Zuneigung - und nimmt es manchmal sogar in Kauf, dafür etwas tun zu "müssen", was es nicht versteht oder wovon es das Gefühl hat, dass dies mit der gewünschten Zuwendung nichts zu tun hat. Das gleiche gilt für erwachsene Bezugspersonen wie z.B. einen Onkel, den Grossvater oder einen Freund bzw. Bekannte der Familie oder auch Pädophile, die dem Kind Zuwendung entgegenbringen. Es kann eine gegenseitige Abhängigkeit entstehen. Der Soziologe Amendt wertet in diesem Zusammenhang sexuelle Kontakte von Pädophilen zu Kindern als Inzest (Psychologie heute 1997), indem er besonders diesen Zuwendungsbezug als ähnlich der Vater-Kind-Beziehung annimmt.

Kinder übernehmen oft sogar die Schuldgefühle (Bornemann 1980), die eigentlich der Erwachsene haben sollte - z.B. dann, wenn es einer anderen Person davon erzählte, diese dann eine Anzeige erstattete und die Bezugsperson, die das Kind sexuell missbrauchte, in Untersuchungshaft kommt: "Ich bin schuld, dass der Vati im Gefängnis ist..." Manchmal sind es auch die Mütter, die ihren Töchtern noch mehr Schuldgefühle einreden: "Du hast unsere Familie kaputtgemacht..." Wir erleben es oft, dass diese missbrauchten Personen, wenn sie selbst erwachsen sind, unter diesen Schuldgefühlen immer noch zu leiden haben. Sehr oft sind psychosomatische und/oder psychiatrische Erkrankungen die Folge (vgl. dazu im Überblick Egle et al. 1997). Oft leiden sie auch unter sexuellen Problemen, da sie in einem Alter - meist vor der Pubertät - sexuelle Kontakte hatten, die ihrem Entwicklungsstand nicht entsprachen. Selbst bei einem Menschen, den sie lieben, kann der Konflikt erneut "hochkommen": Sexueller Kontakt dient dazu, Zuwendung zu bekommen. Aus den Psychotherapien dieser Personen wissen wir, wie schwierig es ist, diese schwerwiegenden seelischen Verletzungen aus der Kindheit zu bearbeiten.

Zu 2. Der einmalige bzw. mehrmalige erzwungene sexuelle Missbrauch von Kindern mit fremden Personen ist mit einer Vergewaltigung vergleichbar. Es ist ein aggressiver Akt, der zu schweren Traumen führt. Hier sind Jungen wie Mädchen gleichermassen betroffen. Der Täter ist ihnen körperlich überlegen, sie können sich nicht wehren. Selbst als Erwachsene haben sie noch Ängste, sich einem anderen Menschen körperlich hinzugeben. Die Furcht, dass es "schmerzhaft" sein könnte, ist gross.

Um einem Kind so früh wie möglich helfen zu können, erscheint es wichtig zu wissen, ob es Verdachtsmomente gibt, denen man als Erwachsener nachgehen sollte. Grundsätzlich "hellhörig" sollte man immer dann werden, wenn sich das Kind relativ plötzlich in seinem Verhalten ändert. Im Kleinkindalter betrifft das folgende - plötzliche - Merkmale: Sprachrückentwicklung, Tics, Nägelknabbern, Fingerlutschen, Furcht mit Anklammerungsversuchen, Einnässen, Einkoten sowie Schlaf- und Essstörungen. Im Schulalter sind dies plötzliche Kopfschmerzen, Genital- und Bauchbeschwerden, Schlafstörungen, Alpträume, sexuelles Renommieren, Imitation der Tat (wie ein Spiel) vor anderen, Ängste und Verstörtheit, Abfall schulischer Leistungen, Selbstmordversuche, aggressives Verhalten, Weglaufen, plötzlich nicht mehr sprechen können. Im Jugendalter können Störungen wie Nahrungsverweigerung, Schwindelgefühle, Genital- und Bauchbeschwerden, Isolation und Rückzugsverhalten, manchmal auch Verwahrlosung und Selbstmordversuche auftreten. Es muss an dieser Stelle gesagt werden, dass die genannten Auffälligkeiten grundsätzlich auch bei anderen psychischen Konflikten auftreten können, denen aber genauso nachgegangen werden sollte. Ein Kind fühlt sich mit seinen Problemen oft allein gelassen. Nach einem sexuellen Missbrauch sind die Konsequenzen bis ins Erwachsenenalter oft fatal, sodass eher eine frühzeitige Hilfe angezeigt ist. Leider kommt es in diesem Zusammenhang auch vor, dass Personen zu Unrecht des sexuellen Missbrauchs bezichtigt werden, was viele zwischenmenschliche Konflikte nach sich zieht. Aus diesem Grunde empfiehlt sich - auch im Interesse des Kindes - ein vorsichtiges und sensibles Vorgehen.


Sexuelle Kontakte zwischen Kindern und Erwachsenen?
Es stellt sich jetzt zunehmend die Frage, ob alle sexuellen Kontakte zwischen Kindern und Erwachsenen Schädigungen hervorbringen können (Stöckel 1998) oder ob es eine einvernehmliche Sexualität zwischen ihnen geben kann (Kind und Sexualität 1997). Eines der Hauptprobleme bei dieser Wertung scheint in der Auswahl der Klientel von Kindern zu bestehen, die hinsichtlich der Folgen sexueller Kontakte untersucht wurde. Während Kliniker und Psychotherapeuten meist mit den negativen Folgen solcher Kontakte konfrontiert sind (vgl. Egle et al. 1997), zeigen Meta-Analysen und Einzeluntersuchungen zum Teil widersprüchliche Ergebnisse. Zwei Aspekte kristallisieren sich jedoch zunehmend heraus: 1. Negative Folgen sexueller Kontakte zwischen Kindern und Erwachsenen scheinen weit weniger vorzukommen als bisher angenommen, wobei diese Ergebnisse bei nichtklinischen Stichproben gefunden wurden (Baurmann 1996, Bauserman & Rind 1997, Constantine 1981, Johannesmeier 1991, Jumper 1995, Rind & Tromovitch 1997, Rind et al. 1998). 2. Bei auftretenden Folgeschäden sind Mädchen etwa 3-mal mehr betroffen als Jungen. Jedoch widerspiegeln solche Allgemeinaussagen nur die halbe Wahrheit. Die Bewertung sexueller Kontakte zwischen Erwachsenem und Kind sollte am ehesten immer sehr individuell erfolgen (vgl. auch Julius & Boehme 1997, Lange 1998). Das in Abb. 1 dargestellte Modell soll helfen, eine solche Bewertung zu diskutieren. Dabei wird vorgeschlagen, zwischen unterschiedlichen Begrifflichkeiten, die mit Sexualität assoziiert werden, zu unterscheiden: Ist Zärtlichkeit


Abbildung 1 Sexualität zwischen Kindern und Erwachsenen

(z.B. als Berührung, vgl. Montagu 1997) für ein Kind das gleiche wie für einen Erwachsenen (Pädozärtlichkeit)? Inwiefern sind Sinnnlichkeit und Erotik des Kindes und des Erwachsenen miteinander vergleichbar? Oder sprechen beide Seiten verschiedene Sprachen (Schmidt 1998)? Hat ein Kind ein Recht auf Sex? Ist sexueller Missbrauch an Kindern das gleiche wie Sexualität zwischen Kindern und Erwachsenen? All dies sind Fragen, die nicht so ohne weiteres beantwortbar sind. Eine Seite scheint uns jedoch in der heutigen Diskussion immer noch unterrepräsentiert zu sein. Wir wissen noch zu wenig über die kindliche Sexualität. Bernard (1989) spricht in diesem Zusammenhang davon, dass die Kinder die Vergessenen sind. Aber gerade hier besteht empirischer Untersuchungsbedarf, bei dem sich der Forschungsgegenstand nicht nur auf sexuelle Kontakte bzw. Handlungen beschränken, sondern auch Beziehungsaspekte mit einbezogen werden sollten.


Kann man Pädophilie behandeln ?
Um der Frage nachgehen zu können, ob man Pädophilie behandeln kann oder nicht, scheint es zunächst erforderlich zu unterscheiden, aus welcher Motivation heraus sich eine betroffene Person in sexualtherapeutische bzw. psychotherapeutische Betreuung begibt (Dahle 1997). Die Personen, die in unserer Einrichtung betreut werden, kann man wie folgt unterscheiden: 1. Da sind zunächst die Personen, die nicht pädophil sind, aber Kinder sexuell missbraucht haben, dafür strafrechtlich verfolgt wurden und vom Gericht die Auflage erhielten, sich in Behandlung zu begeben. Diese Personen erscheinen gewissermassen nicht freiwillig zur Therapie. Sie bekommen entweder mit, dass man mit einem Stempel von der behandelnden Einrichtung weniger Probleme im Umgang mit den Justizorganen hat - oder aber sie nehmen alle Therapieangebote mit der Motivation auf, lieber einen Behandlungsversuch zu beginnen als wieder in den Straf- oder Massregelvollzug zu kommen. 2. Des weiteren kommen zu uns Pädophile, die bereits strafrechtlich belangt wurden, aber von selbst einschätzen können, dass sie ihre Neigung nicht unter Kontrolle haben (vgl. Beier 1998). Die Motivation dieser Personen entspricht einem Leidensdruck und der Angst vor gesellschaftlicher Sanktionierung. Natürlich wollen auch sie nicht wieder in den Strafvollzug, gleichzeitig jedoch erscheinen sie freiwillig zur Betreuung. Wir haben nicht selten beobachtet, dass sie für eine solche Therapie durch Freunde bzw. Bekannte oder Verwandte zusätzlich motiviert wurden. 3. Dann gibt es Pädophile, die nie straffällig wurden, für sich selbst jedoch einschätzen, dass sie mit dieser Neigung nicht zurechtkommen. Sie suchen Beratung und Hilfestellungen zur Bewältigung ihrer Problematik.

Während man bei sexuellen Missbrauchern ohne pädophile Neigungen sehr häufig psychopathologisch auffällige Entwicklungen diagnostizieren kann, weswegen in der Konsequenz psychiatrische und/oder psychotherapeutische Behandlungen angezeigt sind, ist die Sachlage bei Pädophilen deutlich komplizierter. 1. Zunächst sind sie meist keine psychisch kranken Menschen, sondern Personen, die ab der Pubertätszeit sich zu Kindern hingezogen und sich durch diese sexuell erregt fühlen. Gesellschaftliche Normen und Tabuisierungen verhinderten, darüber sprechen zu können, und es ist ihnen klar, dass ihre Empfindungen von anderen Menschen nicht akzeptiert werden. 2. Gleichzeitig werden sie im Falle einer Behandlung mit einem schwierigen Therapieziel konfrontiert: sich etwas "abzugewöhnen", was eigentlich angenehm ist. D.h. der Leidensdruck durch die pädophilen Neigungen selbst ist relativ gering. 3. Zusätzlich ist ein Mangel an adäquaten Therapieangeboten für Pädophile zu beklagen. Da sie meist nicht unter psychischen Erkrankungen leiden, sind psychiatrische und psychotherapeutische Einrichtungen für diese Personen nicht zuständig. Selbst Psychotherapeuten erleben nicht selten eine Art Ohnmacht bzw. Ablehnung gegenüber diesen Personen (Lohse 1993, Schorsch et al. 1996). Spezialabteilungen für sexuelle Auffälligkeiten sind eher rar und existieren losgelöst von der Psychiatrie meist nur in Grossstädten in Form von "Andrologischen Abteilungen" oder "Sexualmedizinischen Beratungsstellen".

Um es gleich vorwegzunehmen: Pädophilie kann man nicht "heilen", aber Therapieversuche scheinen immer noch sinnvoller zu sein als das alleinige "Wegschliessen" (Bernard 1997, Deutsche Gesellschaft für Sexualforschung 1998). Diese Neigung bleibt meist lebenslang bestehen. Das Ziel einer Therapie besteht vor allem in der Analyse, unter welchen Bedingungen die pädophilen Neigungen verstärkt in Erscheinung treten und unter welchen Bedingungen sie kaum eine Rolle spielen. Aus dieser Sicht gibt es zwei Therapieformen, die oft kombiniert zur Anwendung kommen, jedoch auch eigenständig in Betracht gezogen werden.

Die Personen, die von den Strafverfolgungsorganen geschickt werden, geben sich meist mit einer rein medizinischen Behandlungsform zufrieden. Sie nehmen regelmässig das triebhemmende Medikament "Androcur" zu sich und haben dadurch das Gefühl, unter diesen "Bedingungen" ihre sexuellen Neigungen unter Kontrolle zu haben. 2. Die anderen Personen unterziehen sich einer Psychosexualtherapie. Meist wurden sie als Kinder selbst durch akzeptierte Bezugspersonen sexuell missbraucht (nur ein geringer Teil missbrauchter Kinder wird später pädophil). Sie bleiben auf der Ebene der Empfindungen und der Emotionalität wie Kinder und sind dann stärker gefährdet, ihren Neigungen nachzugehen, wenn sie in Situationen geraten, die ihrer damaligen Missbrauchssituation ähneln: Sie fühlten sich von ihren erwachsenen Vertrauens- und Bezugspersonen - meist den Eltern - vernachlässigt. Sie spüren diese Trauer bei Kindern, denen es genauso ergeht, können sich in sie hineinversetzen und leiden mit. Es erfolgt jedoch eine Vermischung von Kindhaftem und sexuellem Erwachsenensein.

Des weiteren spüren Pädophile nicht selten, wie ihre Neigungen immer dann stärker werden, wenn persönliche Unzufriedenheiten in den Vordergrund treten. Wir kennen verheiratete Pädophile, die immer dann "rückfallgefährdet" sind, wenn vermehrt Partnerprobleme auftreten. In diesem Fall wäre eine Partnerschaftstherapie die folgerichtige Konsequenz. Aber auch berufliche Überlastung erzeugt die Sehnsucht, etwas zu erfahren, was angenehm ist... In diesem Fall besteht das Therapieziel in der Reduktion von Anspannung unter Anwendung von Entspannungstechniken, um so möglichen "Rückfällen" vorbeugen zu können.

Letztendlich wird es bei der Kenntnis all dieser Faktoren den Betroffenen empfohlen, sich so früh wie möglich diesem Problem zu stellen. Sich einem Fachmann anzuvertrauen und über wahrgenommene pädophile Tendenzen zu reden, ohne bereits straffällig geworden zu sein, kann auch Leid von Kindern abwenden, die potentiell gefährdet wären, sexuell missbraucht zu werden. Aus diesem Grunde empfehlen wir allen Personen mit Pädophilie oder dem Drang nach sexuellem Kontakt zu Kindern, sich an eine Beratungsstelle zu wenden.

Ein wesentlicher Punkt wurde bisher nicht thematisiert, sollte aber in der Zukunft mehr Berücksichtigung finden. Dies betrifft den Aspekt der Prävention - die Analyse der Bedingungen, unter denen sexuelle Kontakte zwischen Kindern und Erwachsenen entstehen, wie sie selbst bewertet, akzeptiert oder abgelehnt werden (Willutzki et al. 1998).


Literatur
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Bernard F: Die Kinder sind die Vergessenen. Sexualmed 18 (1989) 402-404.

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Berner W: Sexueller Missbrauch, Pädophilie und die Möglichkeiten therapeutischer Beeinflussung. In Richter-Appelt H (Hrsg) Verführung-Trauma-Missbrauch (1896-1996). Giessen: Psychosozial 1997, 147-160.

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Gallwitz A & Paulus M: Die Kinder-Sex-Mafia in Deutschland. Täterprofile, Pädophilenszene, Rechtslage. Berlin: Ullstein 1999.

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Anschrift des Autors:
Priv.-Doz. Dr. rer. nat. habil. Dipl.-Psych. Kurt Seikowski
Klinik und Poliklinik für Hautkrankheiten,
Andrologische Abteilung
Liebigstr. 21, 04103 Leipzig




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