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Ovid
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Harmlosigkeit und Sex

Beitrag von Ovid »

Der letzte Thread hat ein paar grundsätzliche Fragen aufgeworfen, bei denen es sich lohnt diese weiterzuverfolgen.

Zunächst sei einmal die Pauschalisierungsfalle angesprochen.
Wenn man sagt etwas sei harmlos, dann meint man damit in und für sich genommen ohne Schaden verbunden.

Eine Autofahrt ist harmlos. Wenn jemand jeden Tag zur Arbeit fährt, dann, weil die Autofahrt in und für sich genommen eigentlich eine banale, eben harmlose, Angelegenheit ist.

Natürlich könnte man nun penibel darauf hinweisen, dass es Randfälle gibt, wie einen Autounfall, den man selbst verschuldet oder auch andere verschulden können - oder gar Ausnahmesituationen in denen keiner die Schuld trägt.

Der Normalfall ist: Autofahren bleibt eine harmlose alltägliche Angelegenheit, bei dem die überwältigende absolute Mehrheit der Menschen ohne Schaden davonkommt, weil Autofahren in und für sich genommen kein Verursacher von Schaden ist.

Wer Autofahren jetzt als Beispiel nicht mag, kann gerne andere Sachen nehmen:

Spazierengehen, Schwimmen, Essen, Trinken, Kuscheln, Sport, Kochen...

so gesehen alles nicht wirklich harmlos, man kann hinfallen und sich Wunden zuziehen, ertrinken, sich vergiften, verschlucken und ersticken, sich mit schlimmen Krankheiten anstecken, sich alle möglichen Knochen brechen, sich schlimm verbrennen...

Wenn man das so sieht, dann kann man wirklich nichts harmlos nennen.

So ähnlich sehe ich gegenseitige körperliche Zuwendungen von Tieren oder speziell Menschen. Das wäre der Oberbegriff. Darunter fallen eben auch sexuelle körperliche Zuwendungen.

Die sind an und für sich genommen harmlos und ohne Schaden verbunden. Sieht das jemand anders? Sind für jemanden sexuelle Handlungen in und für sich genommen mit Schaden verbunden?
Oder möchte jemand eine andere Verwendung des Begriffs harmlos vorschlagen?

Würde mich über eine interessante Diskussion freuen.
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Horizonzero
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Re: Harmlosigkeit und Sex

Beitrag von Horizonzero »

Den Aspekt meinte ich noch nicht mal, wobei natürlich stimmt was Du dazu schreibst. Ich meine das Sex in der Regel einhergeht mit einer wie auch immer gearteten Partnerschaft, diese wirkt bindent, man gibt ein Teil seiner persönlichen Freiheit auf- wird "abhängig" die Konsequenzen daraus empfinde ich nicht als harmlos.
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Forum-Geist
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Re: Harmlosigkeit und Sex

Beitrag von Forum-Geist »

Man kann auch Sex mit völlig Fremden haben. Das tue ich im Moment, ist zwar immer ein Risiko, aber ich hab die Hoffnung fast aufgegeben jemanden zu finden den ich ständig um mich haben will...
Welcher Verstand oder Sinn ist ihnen denn zu eigen?
Sie verlassen sich auf die Volkssänger und nehmen die Masse zum Lehrer.
Denn sie wissen nicht, dass die meisten schlecht, wenige aber gut sind.

Heraklit
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Ovid
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Re: Harmlosigkeit und Sex

Beitrag von Ovid »

Horizonzero hat geschrieben:Ich meine das Sex in der Regel einhergeht mit einer wie auch immer gearteten Partnerschaft
Hmm. Geht die Partnerschaft mit dem Sex einher oder der Sex mit der Partnerschaft?

Und meinst du intrinische Probleme innherhalb der Partnerschaft (Streit, Eifersucht, Verlustängste, Enttäuscht/Verletzt werden) oder externe Probleme (Bewertung der Partnerschaft durch Dritte).

Im anderen Thread habe ich noch diesen Absatz formuliert:
Ovid hat geschrieben:Entweder ist die Einbildung von Liebe (kleine Mädchen können sich ja nicht echt verlieben), für sich genommen schlecht oder eben nicht.
Wäre es also nie zu Sex gekommen hätte kein Schwein diese Liebesduselei interessiert und es wäre eher müde belächelt und marginalisiert worden, wie quasi sonst immer die Erwachsenenwelt reagiert, wenn man mit kindlichem Ausdruck zu tun hat.
Geht es allerdings um Sex wird diese Gefühlslage gleich zum Gift erklärt.
Bedeutet: Eine nahe und intime Partnerschaft kann `sich prinzipiell auch ohne sexuelle Zuwendungen formen.
Gelten da nicht ähnliche Probleme?

Es stimmt nämlich schon: Es gibt sehr sehr schmerzliche Trennungen und Zwietracht in vielen solchen Situationen, aber eben auch ganz ohne sexuelle Komponente.
Natürlich kann diese eine prekäre Lage noch verstärken, was allerdings mit herrschenden gesellschaftlichen Dogmen zu tun hat; also diese Probleme kommen von außen dazu.

Trotz allem: Eine Partnerschaft, die mit Risiken und Problemen verbunden wird, hat immer noch einen positiven Stellenwert. Man würde auch hier nicht von schädlich reden; außer es ist eine explizit schädliche Partnerschaft. Aber für sich genommen?
Ähnliches könnte man ja sonst auch für Elternschaft und Familienzusammen leben sagen.
Forum-Geist hat geschrieben: Man kann auch Sex mit völlig Fremden haben. Das tue ich im Moment, ist zwar immer ein Risiko, aber ich hab die Hoffnung fast aufgegeben jemanden zu finden den ich ständig um mich haben will...
Ich glaube auch je älter man wird, desto schwieriger wird es neue stabile Kontakte zu knüpfen.
Je mehr Geschichte man gemeinsam hat, desto leichter ist es eigentlich... aber wenn das fehlt. :|
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Jinora
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Re: Harmlosigkeit und Sex

Beitrag von Jinora »

@Horizonzero: Den Schritt von "bindend" zu "abhängig" finde ich vorschnell. Ich habe sowohl als Kind als auch als Erwachsener sexuelle Erfahrungen gemacht, die kaum bindende und keinerlei abhängig machende Folgen hatten.

Natürlich lässt sich aus meinen Erfahrungen nicht folgern, dass es immer so ist; es lässt sich aber daraus folgern, dass es nicht immer nicht so ist (was du ja behauptet hast).

@Ovid: In der Praxis ist Autofahren leider sehr gefährlich. Aber, ich stimme dir zu, nicht wegen des Autofahrens an sich, sondern wegen der weit verbreiteten Rücksichtslosigkeit und (zu einem geringeren Grad) der emittierten Abgase.

Ganz genau so ist es bei deinen anderen Beispielen, und ja, auch bei Sex.
In der Welt, in der ich leben möchte, ist es für jeden selbstverständlich, alle anderen zu achten und ihre Bedürfnisse zu berücksichtigen.
Ein aggressiver, rücksichtsloser Fahrstil ist da nicht per se weniger schlimm als Kindesmissbrauch im eigentlichen Sinn. In beiden Fällen wird in Kauf genommen, dass das Wohl anderer Menschen gefährdet wird, um sich persönlich zu bereichern (mit Zeitersparnis bzw. Lustgewinn).

Durch die ganz unterschiedliche soziale Beurteilung dieser zwei Dinge sieht es in der Praxis natürlich anders aus. Diese Beurteilung liegt aber in der Natur unserer Gesellschaft und nicht in der Natur der Dinge selbst, weshalb sie bei ethischen Überlegungen nicht von vornherein als gegeben angenommen werden darf.
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Mitleser
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Re: Harmlosigkeit und Sex

Beitrag von Mitleser »

Na toll, jetzt haben drei Leute geantwortet, während ich meinen Beitrag geschrieben habe. Aber ich schicke den jetzt trotzdem ab, ohne die neuen Beiträge zuvor nochmal durchzulesen. :P
Horizonzero hat geschrieben:Ich meine das Sex in der Regel einhergeht mit einer wie auch immer gearteten Partnerschaft
Nicht zwangsläufig, denn auch wenn man außen vor lässt, dass man den Sex auch gegen Geld (und ansonsten keine bedeutenden Verpflichtungen) haben kann, gibt es noch den One-Night-Stand, der keineswegs auf einer Partnerschaft beruhen muss. Ob das einen Einfluss auf die Harmlosigkeit hat, sei natürlich dahingestellt, aber wer sich ansonsten eben gerade nicht in einer Partnerschaft befindet, hat eigentlich kaum etwas zu befürchten. ;)

Grundsätzlich stimme ich aber Ovid zu, Sex ist etwas Alltägliches, vielleicht nicht gerade für uns als Pädo, aber doch für einen nicht unerheblichen Anteil der Bevölkerung, sieht man einmal von christlich-moralischen Wertevorstellungen ab, die den Sex vor der Ehe missbilligen, und das Zölibat von Geistlichen gutheißen. Das alltägliche Leben ist immer mit irgendwelchen Gefahren verbunden, aber rein statistisch gesehen ist das Risiko doch vergleichsweise gering, wenn man gewisse Grundregeln beachtet (kein Autofahren unter Alkoholeinfluss, Entsorgen von Lebensmitteln bei Anzeichen, dass diese ungenießbar sind, kein Schwimmen in Gewässern mit gefährlicher Strömung usw.).

Für den Sex gibt es ebenso Grundregeln, sei es z. B. Verhütung, Wissen um Geschlechtskrankheiten usw., und natürlich auch die erwähnten gesellschaftlich-moralischen Faktoren. Was denn nun so speziell an Sex ist, dass man ihn auf ein dermaßen hohes Podest stellen muss, erschließt sich mir auch nicht wirklich. Der Gesetzgeber sieht diverse Regeln vor, wie kein Sex unter 14, aber ok, man darf ja auch erst ab 18 Auto fahren. Das hat weniger etwas damit zu tun, dass Sex bzw. Autofahren per se gefährlich ist, sondern ist eine willkürliche Festlegung, ab welchem Alter eine Person reif genug ist, um alle möglichen Konsequenzen aus der Handlung ableiten zu können.

Nun dürfen Kinder aber beispielsweise jederzeit im Auto mitfahren, nur das Auto selbst zu steuern ist verboten. Fragt sich, ob man daraus ableiten kann, dass man mit Kindern zwar keinen Sex haben darf, dass es aber wohl unschädlich ist, wenn Kinder beim Sex dabei sind. In anderen Kulturen ist so etwas ja gang und gäbe, hierzulande gibt es diverse gesellschaftliche Tabus, wobei das wohl auch erst seit der Neuzeit so ist, denn noch im Mittelalter gab es nur einen gemeinsamen Raum für die ganze Familie, so dass diese auch die Intimitäten ihrer Eltern jederzeit miterleben konnten. Wenn also etwas die Harmlosigkeitsgrenze überschreitet, dann ist es nicht der Sex an sich, sondern allein der Umgang damit in unserer Gesellschaft.
Creasy
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Re: Harmlosigkeit und Sex

Beitrag von Creasy »

Sex ohne Verhütung ist nicht harmlos, wenn man keine Kinder möchte. Ungeschützter Sex mit einem Partner, der regelmäßig ungeschützten Sex mit wechselnden Partnern hat ist auch nicht harmlos. Sex mit der Frau von Chef oder der Freundin vom Hooligan von nebenan...

Wie willst du denn die Frage, ob Sex an und für sich genommen harmlos ist, ohne jeden Kontext beantworten? Selbst wenn, was ist damit gewonnen?

Jedenfalls ist Sex nicht harmlos, wenn es ein signifikantes Risiko gibt, dass mindestens ein Beteiligter geschädigt wird. Da kann ich dir noch viele Beispiele stricken und ich glaube, dass Sex mit Kindern auch dazu gehört. Aber das würde zu Diskussionen führen, die wir schon hatten.
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DünnesEis
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Re: Harmlosigkeit und Sex

Beitrag von DünnesEis »

Ich glaube wenn du nur den Akt an sich meinst, ja, der ist harmlos. Lässt man das kulturelle drumherum weg (Ruf, Ehre, bla bla) dann ist Sex als Akt harmlos, solange richtig (Schmerzfrei) durchgeführt. Aber wer es bis zuende Bringt (Orgasmieren in der Partnerin), da käme dann die Verantwortung (Wie Creasy erwähnt: Wer sorgt sich dann um die Kinder) auf.

Obwohl das wieder was moralisches ist (und meines Erachtens SEHR wichtig) ist es ja nur eine Folge vom Koitus, und wenn es nur um den Zeitraum geht während es stattfindet, ist Sex harmlos. Das sind ja nur Interaktionen zweier Körper. Es gibt noch so viel mehr, wie -- nicht zuviel sexuellen Reizen ausgesetzt zu sein (sonst erregt einen nix mehr) usw, aber das sind ja alles nur FOlgen, Umstände, drumherum. Zwei Körper berühren sich --- noch dazu an Stellen die extra dafür gemacht sind, WOHLgemerkt. Das kann nich schlimm sein. Allerdings ist die Natur eh sadistisch. Katzentiere (Feline?) haben Haken am Penis die Schmerzhaft im weiblichen Tier verankert sind.
Somit ist es als will die Natur selbst sagen "Harmlos... nicht harmlos... humbug... vögelt und pflanzt euch fort, der rest spielt keine Rolle. Immerhin verblutet sie ja nicht dran. Also los nu!"
"Harmlos" scheint von daher wirklich eine subjektive wahrnehmung. Der natur scheinen Schmerzen gleichgültig, oder sie werden ob des höheren Ziels (FOrtplfanzung ist wichtiger als die Frage obs weh tut) in Kauf genommen von der Natur, oder wir überbewerten diese, wweil wir uns versuchen vor jedwedem Schmerz zu drücken.

Ich glaube nun müßte man unterteilen in: Physikalisch harmlos -- oder moralisch, etc.
Ein HIV infizierter ist krank --- wenn jemand ne Grippe hat knutscht auch niemand damit rum --- von daher sollte das als "Nicht Normalzustand" nicht den Vorgang Koitus als gefährlich gelten lassen.
Denn mit jemandem Sprechen ist auch ganz normal - und hat derjenige ne Grippe kann man sich anstecken. Trotzdem käme keiner auf die Idee, es als Paket zu erwähnen: "Ist Konversation harmlos?" "Öh ja außer wenn der andere ne Grippe hat oder ein Psycho ist der einen für das was man sagt umbringen will."

Ich glaube es ist sehr schwierig, schätzungsweise ist "Harmlos" in der art wie wir das gebrauchen gar kein faktisches Wort, sondern etwas das subjektiv ist und vom Betrachter und dessen Definition abhängig.Und wahrscheinlich ist es für die Meisten dinge so. kochendes Wasser ist heiß --- 50 Grad heißes Wasser für einige aber nur "sehr warm" - eine Katze lebt 20 Jahre und das ist für einen Menschen kurz, für eine Eiche sind die 100 die ein Mensch lebt aber ein Witz. Kokosnüsse sind hart für Menschen - und für Elefanten kein problem zu knacken. ich weiß auch nicht.
FÜr eine Prostituierte die jedentag hart ran muß, für die ist nur Handjob wahrscheinlich sehr harmlos. Obwohl gerade dabei lange Fingernägel leicht die Haut verletzen können, was beim hart bumsen freilich nichpassieren wird, auf das sie aber ab und an nun gar keine Lust hat.
Ich bin nicht so redegewand (nicht mehr) daß ich meinen Punkt besser rüberbringen könnte. Sorry :)

Ach übrigens ein zu köstlicher Gedanke um ihn unausgesprochen zu lassen: Wäre nun das Risiko einer Befruchtung HAuptargument nummer 1: "Na sehen Sie, EBEN DESWEGEN sollte man es nur mit 4 jährigen machen, da brauch man nich mal verhüten" :mrgreen: (Und ja, an ewigtrockene Mitleser, das ist witzig gemeint, mei mei, 4jährige... gehts noch, 5 darf sie schon sein... ähm... :wink: )
Zuletzt geändert von DünnesEis am 27.11.2015, 00:19, insgesamt 2-mal geändert.
Der Käptn der Jennifer hört Stöhnlaute durch den Sturm und geht an Deck wo der Maat im hohen Wellengang am Haupt-Mast hin und hergeschrubbt wird. 'Hören Sie auf zu mast-urbieren"... Uuund der rest passt wegen 300er limit ma wieder nich ;)
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Mitleser
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Re: Harmlosigkeit und Sex

Beitrag von Mitleser »

Der "ewigtrockene" Mitleser musste bei Deinen zweiten Satz mit dem "Orgasmieren" sogleich an die Vorteile einer Vier-, Fünf-, Sieben- oder auch Neun- bzw. Zehnjährigen denken, noch bevor Du das im Nachsatz erwähnt hast. :lol: Ansonsten hast Du Deinen Punkt gut 'rübergebracht, würde ich sagen, denn ich kann all dem nur zustimmen! :D
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DünnesEis
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Re: Harmlosigkeit und Sex

Beitrag von DünnesEis »

Haha ich meinte ja selbstverständlich nich Dich mit jenen Mitlesern aber ich glaub du weißt das :D
Jo, hab noch bisschen editiert. Danke dir :D
Der Käptn der Jennifer hört Stöhnlaute durch den Sturm und geht an Deck wo der Maat im hohen Wellengang am Haupt-Mast hin und hergeschrubbt wird. 'Hören Sie auf zu mast-urbieren"... Uuund der rest passt wegen 300er limit ma wieder nich ;)
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Ovid
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Re: Harmlosigkeit und Sex

Beitrag von Ovid »

Jinora hat geschrieben: @Ovid: In der Praxis ist Autofahren leider sehr gefährlich. Aber, ich stimme dir zu, nicht wegen des Autofahrens an sich, sondern wegen der weit verbreiteten Rücksichtslosigkeit und (zu einem geringeren Grad) der emittierten Abgase.
Ja, ich habe das Beispiel nicht umsonst genommen. Man kann tatsächlich einerseits sagen, dass Autofahren viele Risiken birgt, es tödliche Unfälle gibt und gesundheitliche Schäden durch Abgase mitverursacht u.ä. und gleichzeitig macht es trotzdem Sinn vom Autofahren als banale, harmlose und alltägliche Angelegenheit zu sprechen.
Mütter fahren ihre Kinder tagtäglich zum Kindergarten.

Das ist ein schon ein bisschen gewollt so das Beispiel. :)
Creasy hat geschrieben:Wie willst du denn die Frage, ob Sex an und für sich genommen harmlos ist, ohne jeden Kontext beantworten? Selbst wenn, was ist damit gewonnen?
Nun im Prinzip wollte ich eigentlich bloß sagen:
Rede ich z.B. von harmlosen Sex, dann meine ich genau diesen Kontext in dem Sex harmlos ist.
Weiterhin will ich damit sagen, dass der harmlose Kontext, der gängige und alltägliche Kontext ist. Wenn man von Sex redet, redet man meistens auch nicht von Missbrauch oder Vergewaltigung.

Gewonnen ist damit nur Klarheit über Begriffe.
Es gibt ja auch andere Meinungen, z.B., dass Sex instrinsisch schädlich oder zumindest problematisch, übergriffig, psychisch belastend oder zumindest nicht positiv ist, eher negativ bis neutral (zumeist aus religiösen und radikalfeministischen Kreisen).
Oder es gibt auch einige Menschen, für die ganz individuell Sex nur negativ behaftet ist.

Ein anderer Punkt: Man hat es schon zig mal in Diskussionen gehabt, dass man den Kontext nicht auf die denkbaren harmlosen Möglichkeiten angleicht.
Wenn man z.B. Kinder in sexuellen Situationen beschreibt, einem dann z.B. vorgeworfen wird, dass Penetration schmerzhaft und schädlich ist; wogegen man eben ja schon den harmlosen Kontext gemeint hat, wenn man sagt Sex ist harmlos.

Man könnte natürlich jedes mal spezifizieren: Es existieren harmlose sexuelle Kontexte zwischen Kindern und Erwachsenen, was aber eindeutig mühsam ist.

Außer natürlich man will auch diese Möglichkeit anzweifeln, wie du es tust.
Creasy hat geschrieben: Jedenfalls ist Sex nicht harmlos, wenn es ein signifikantes Risiko gibt, dass mindestens ein Beteiligter geschädigt wird.
Dann sprechen wir wohl nur noch von Schwellenwerten. Denn ganz allgemein gesagt gibt es immer irgendwie Risiken, auch zwischen jedem Sex zwischen Erwachsenen oder bei allen möglichen Aktivitäten zwischen Kindern schon.

Kannst du ungefähr auslegen wie die Welt aussehen müsste, damit dieses signifikante Risiko unter diesen Schwellenwert sinkt?
Was wäre anders?

Ich glaube Mitleser spielt auch darauf an, wenn er sagt:
Mitleser hat geschrieben: Wenn also etwas die Harmlosigkeitsgrenze überschreitet, dann ist es nicht der Sex an sich, sondern allein der Umgang damit in unserer Gesellschaft.
Übrigens kann man mit dem Autofahren Beispiel auch viel Spaß haben. Eigentlich passt die Analogie ja nur begrenzt.
Man kann z.B. darauf hinweisen, dass Kinder nämlich doch Autofahren dürfen - und zwar auf Privatgelände ohne StVO.
Dann kann man sich jeweils aussuchen was in der Analogie für Kinder und Sex das Privatgelände wäre und was öffentlicher Verkehrsgrund. :lol:

Zuletzt noch zurück zu dem Thema Rücksicht, Verantwortung und Harmlosigkeit.
Jinora hat geschrieben: In der Welt, in der ich leben möchte, ist es für jeden selbstverständlich, alle anderen zu achten und ihre Bedürfnisse zu berücksichtigen.
Ein aggressiver, rücksichtsloser Fahrstil ist da nicht per se weniger schlimm als Kindesmissbrauch im eigentlichen Sinn.
Sehe ich ähnlich. Tatsächlich sollten wir als Erwachsene die Verantwortung gegenüber Kindern haben in jedem Lebensbezug Rücksicht zu üben und dies auch zwischen Kindern zu kultivieren.
Diese Rolle haben wir überall; wo immer Kinder sich in die Haare kriegen, befrieden wir die Situation und pochen auf gegenseitige Rücksicht und in gefährlichen Situationen übernehmen wir das Steuer (im Auto) oder, wenn das Kind am Steuer sitzt, achten wir auf eine sichere Umgebung (Privatgelände).

In allen möglichen Lebensbezügen von Kindern ist die Situation sicherer, nicht nur in Anwesenheit eines (wohlwollenden und kompetenten) Erwachsenen, sondern auch bei direkter Involvierung desjenigen.
Wie kann es sein, dass dies bei sexuellen Aktivitäten genau umgekehrt ist? Es ist der einzige Lebensbezug in denen die Gesellschaft es für besser erachtet Kinder unter sich zu lassen und die direkte Involvierung von Erwachsenen schadet angeblich (egal wie der Erwachsene handelt).
Für mich klingt das wie die Quadratur des Kreises.
DünnesEis hat geschrieben: Allerdings ist die Natur eh sadistisch. Katzentiere (Feline?) haben Haken am Penis die Schmerzhaft im weiblichen Tier verankert sind.[...] Der natur scheinen Schmerzen gleichgültig, oder sie werden ob des höheren Ziels (FOrtplfanzung ist wichtiger als die Frage obs weh tut) in Kauf genommen
Die Evolution hat wohl alles in petto, was sich erfolgreich fortpflanzt. :wink:
Zum Glück gehören wir zu einer Spezies, die Sex auch aus Vergnügen hat.
Darunter fallen z.B. auch Bonobos und Delphine.
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Re: Harmlosigkeit und Sex

Beitrag von Mitleser »

DünnesEis hat geschrieben:Haha ich meinte ja selbstverständlich nich Dich mit jenen Mitlesern aber ich glaub du weißt das :D
Ja, war mir schon klar, dass Du die Damen und Herren in Blau meinst, aber irgendwie fühlt man sich immer so angesprochen... :D

@Ovid: Stimmt, ans Autofahren auf Privatgelände habe ich gar nicht gedacht; ich erinnere mich noch, wie mir das damals mein Cousin als Knirps von 10 Jahren ganz stolz mit Papas Auto auf der großen Wiese hinterm Haus vorgeführt hat. :)

Und ja, mir geht es darum, dass all diese Dinge ganz selbstverständlich im Alltag passieren, auch wenn sie bei genauerem Hinsehen ganz schön gefährlich sein können. Aber wir haben ja auch gelernt, mit dem Risiken umzugehen und entsprechende Vorsichtsmaßnahmen getroffen. Natürlich mag der eine oder andere rücksichtslos und unvorsichtig sein, das darf man nicht zulassen, und dagegen gibt es ja auch Gesetze und Vorschriften.

Das Leben in seiner Gesamtheit ist gefährlich und voll mit Fallstricken, die es tagtäglich zu umschiffen gilt. Gerade Kinder testen diese Grenzen aus und lernen so, mit einer Situation umzugehen, denn Misserfolge sind mindestens genauso lehrreich wie Erfolge. Warum sollte Sex die große Ausnahme sein, die es tunlichst zu vermeiden gilt, bevor man alt genug ist?

Als kleiner Junge wollte ich immer mal von Papas Bier probieren, klar, ich war neugierig. Anstatt es mir zu verbieten, hat mein Vater mich einfach probieren lassen - meine Güte, war das ekelig. Der Erfolg: Ich trinke bis heute kein Bier. Hat mein Vater nun verantwortungslos gehandelt, als er mich Alkohol trinken ließ? In einer Gesellschaft, in der Alkohol verpönt ist, würde mein Vater wohl Probleme bekommen (oder, um Jinoras Beispiel aufzugreifen, wenn mich mein Vater Cannabis hätte probieren lassen).

Es ist schon eine Krux mit den gesellschaftlichen Tabus. :roll:
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Re: Harmlosigkeit und Sex

Beitrag von Forum-Geist »

Ich bitte mal um Handzeichen wer noch Jungfrau ist :lol:
Welcher Verstand oder Sinn ist ihnen denn zu eigen?
Sie verlassen sich auf die Volkssänger und nehmen die Masse zum Lehrer.
Denn sie wissen nicht, dass die meisten schlecht, wenige aber gut sind.

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Re: Harmlosigkeit und Sex

Beitrag von Creasy »

Ovid hat geschrieben:Kannst du ungefähr auslegen wie die Welt aussehen müsste, damit dieses signifikante Risiko unter diesen Schwellenwert sinkt?
Was wäre anders?
In Bezug auf Kinder? Die müssten eine andere Entwicklungspsychologie- und biologie haben, als es in dieser Welt der Fall ist. Ein gesellschaftlicher Wandel reicht nicht. Selbst wenn du es ihnen verbal erklärst, verstehen sie Sex nicht so wie Erwachsene, da fehlt die Möglichkeit abstrakte Konzepte zu verstehen sowie einige Dinge (wie sexuelle Attraktion) selbst zu erleben, bevor ihr Gehirn in der Pubertät umgebaut wird. Solange sie nicht auf gleicher Ebene sind, gibt es immer ein signifikantes Risiko, dass sie die Erlebnisse negativ Rekonzeptionalisieren, wenn sie als Erwachsene daran zurückdenken.
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Re: Harmlosigkeit und Sex

Beitrag von Ovid »

Mitleser hat geschrieben: Als kleiner Junge wollte ich immer mal von Papas Bier probieren, klar, ich war neugierig. Anstatt es mir zu verbieten, hat mein Vater mich einfach probieren lassen - meine Güte, war das ekelig. Der Erfolg: Ich trinke bis heute kein Bier. Hat mein Vater nun verantwortungslos gehandelt, als er mich Alkohol trinken ließ?
Ich würde auch "nein" sagen. Die Antwort auf solche Fragen kann eben auch mehrzweigig sein, meiner Meinung nach.
Ich hätte weder dem Vater etwas vorgeworfen, der sein Kind hat probieren lassen, noch dem Vater, der es seinem Kind strikt verboten hat.

In dem Kontext einer freien und individuellen Gesellschaft sollte es eben solche Freiräume geben.
Die sind aber eben nur so großzügig, wie es bis zu gewissen Schwellenwerten intolerabel wird. Wenn also wirklich unverhältnismäßig beobachtbarer und messbarer Schaden einem Individuum anheim fällt.
Creasy hat geschrieben:Die müssten eine andere Entwicklungspsychologie- und biologie haben, als es in dieser Welt der Fall ist.
Genauer bitte. :wink:
Also welche Kompetenzen genau sind erforderlich?

Ok. Du nennst unter anderem auch "sexuelle Attraktion" oder auch sexuelle Appetenz.
Bisher wenig erforscht (vor allem auch schwierig aufgrund herrschender Dogmen).

Aber denken wir uns doch einmal folgendes Studien-Design:

Man misst deine genannten Kompetenzen bzw. entwicklungspsychologischen Vorraussetzungen bei Kindern bis Jugendlichen.
Dann erfasst man epidemiologisch sexuelle Kontakte bei denen in diesem Alter, trennt diese nach kindlichen, jugendlichen und erwachsenen Sexualpartnern (notwendig nach den Kriterien, dass ja Kind-Kind Sexualkontakte OK sind). Die ohne Sexualkontakte/bzw. nur mit kindlichen Sexualkontakten sind die Kontrollgruppe.
Dann erfasst man (leider notwendig) bestimmte konfundierende Variablen (Familiensituation, Interventionen von Behörden, herrschende regionale Sexualmoral etc.)
Dann folgt man dieser Stichprobe ca. zwei Jahrzehnte lang und misst das psychological adjustment.

Soweit zustimmbar?

Was müsste man herausfinden um sich der Position zu nähern, dass Kind-Kind Sexualkontakte bis 14 OK sind und ab 14 alle Sexualkontakte?

Man müsste folgendes herausfinden, damit die herrschende Position vernünftig ist:

- Das mediane Alter von Kindern, die deine genannte entwicklungspsychologische Vorraussetzungen innehaben ist 14.
- Die Gruppe unter 14, die keine Sexualkontakte oder nur Kontakte mit Kindern hatten und diese Vorraussetzungen aufweisen, haben später im Mittel ein besseres adjustment als die Gruppe, die auch mit Erwachsenen sexuelle Kontakte hatte.
- Nach eine Regressionsanalyse findet man auch heraus, dass die Kausalität nicht von der Familiensituation abhängt.

(Bisher haben wir ja immer folgendes gemessen "schlechte Familiensituation -> adult-child-sex -> bad adjustment"; also aufgrund von wenig support durch Familie suchen sich Kinder Halt bei anderen Erwachsenen (Flucht), haben dort Sex und später aber aufgrund der ursprünglichen Familiensituation schlechtes adjustment; diejenigen mit guter Familiensituation UND sex mit erwachsenen [kleinere Gruppe] dagegen bleiben im adjustment quasi unverändert; verändern aber den durchschnittsadjustment nicht wesenlich, weil positive Familiensituation mehr bindet)

- Und am wichtigsten: Es finden sich überhaupt negative Auswirkungen (wenn diese entwicklungspsychologischen Vorraussetzungen fehlen) und die negativen Auswirkungen sind signifikant (also pathologisch) - also schwerwiegender als übliche leichte Moderatoren von adjustment (z.B. davon abhängig in welchem Teil Deutschlands man lebt, ob man in einer einkommenschwachen Familie lebt, wie man sich ernährt oder genetische Faktoren oder ähnliches was quasi verrückt oder unmöglich wäre zu "verbieten")

Ich gebe dir übrigens noch einen kleinen precursor. Es ist ja nicht so als hätten sich Wissenschaftler nicht schon mal Gedanken darüber gemacht welche Kompetenzen man haben müsste um "einvernehmlich" Sex zu haben.

Hier ein sehr interessanter Blog-Artikel von Tom O'Carroll:
https://tomocarroll.wordpress.com/2013/ ... sexuality/
If Heretic TOC were to put it about that the American Psychological Association supports an age of consent of eight, you might think I was having a laugh. You would be right, too, except that when the opinions of over 300 doctoral members of that august and conservative organisation were surveyed on what assessment criteria they thought would show capacity to consent, they came up with very basic factors, such as knowledge of the consequences of sexual behaviour, that an earlier study by one of the same researchers had shown could be met by those with a mental age of eight.
Also im Prinzip hat man 300 Wissenschaftler befragt, welche Kompetenzen man haben müsste, um einvernehmlich Sex haben zu können.
Das war ursprünglich eher darauf gemünzt sexuelle Selbstbestimmung für geistig behinderte Menschen zu eruieren. Das ist nämlich ein Thema, welches in die selbe Kerbe schlägt.

Nun hat man diese formulierten mentalen Kapazitäten bei diesen geistig behinderten Menschen gemessen und ob sie vorhanden sind und dann auf das mediane IQ gemünzt (was natürlich auf die ein oder anderer Weise angreifbar bleibt), aber im Mittel kommt heraus, dass 8-Jährige genauso kompetent sind wie diejenigen mental behinderten Menschen, von denen die meisten Wissenschaftler denken sie hätten genug Kompetenzen um in sexuelle Aktivitäten einzuwilligen.

Das geht (wahrscheinlich) natürlich ein bisschen vorbei an deinen persönlichen Vorstellungen von Vorraussetzungen, die man haben müsste, um in Sex einwilligen zu dürfen, aber es ist ein ähnlicher Versuch sich wenigstens empirisch dieser Frage zu nähern (wobei hier die Frage des (positiven/negativen) Erlebens und Adjustments völlig ausgeklammert wird).

Das alles adressiert natürlich noch nicht einmal das Problem, dass es überhaupt keine kanonische bzw. einheitlich definierten Grund für das Schutzalter gibt. Von verschiedenen Seiten scheint es da entweder keine oder völlig unterschiedliche Begründungen zu geben, warum ausgerechnet diese generationale Grenze herrscht.
Deine Begründung (late endogenic negative reappraisal) ist auch nur eine von sehr vielen ungetesteten Begründungen, die es da draußen gibt.

Dass diese Begründungssuche leicht verzweifelt und gesplittet ist, sah man schon damals an der Arbeit von Finkelhor, in der er explizit danach gerungen hat überhaupt stichhaltige Gründe zu finden, warum man bei sexuellen Kontakten zwischen Kindern und Erwachsenen überhaupt etwas einzuwenden habe (völlig im Gegensatz zu und in den Schatten gestellt von den offensichtlichen grausamen gewaltätigen sexuellen Verbrechen, die Kindern angetan werden).
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