So kitschig sind Einhörner gar nicht.

Seit wann sind Fantasien verboten? Brauchen wir einen neuen Artikel in unserem Grundgesetz? Die Fantasien des Menschen sind unantastbar?... und auch wenn der 15 Jahre Gabo jede unangemessene Annäherung vermeidet, verunsichern ihn die eigenen Gefühle und verbotenen Phantasien enorm.
Dave bestätigt, dass der kleine Sam süß ist. Mehr aber auch nicht. Steht Dave wirklich auf Kinder?Er trifft sich mit Dave (beängstigend überzeugend: Robin Sondermann) in einem Café und gewinnt Vertrauen zu dem verständnisvollen Erwachsenen, der selbst auf Kinder steht.
Das stimmt, es ist Missbrauch. Dave hat Gabos Nein mehrfach ignoriert und ihn manipulativ zur Einwilligung gebracht. Doch Gabo ist 15 Jahre alt und selbst im Bereich des Sexualstrafrechts kein Kind mehr. Dennoch ein sehr eindringliches Bild mit den Socken.Schließlich hat Dave den Jungen soweit, er trifft sich mit Gabo in einem Hotzelzimmer, schmeichelt ihm und setzt ihn zugleich unter Druck, so dass sich Gabo auf sexuelle Handlungen einlässt. Die Kamera schwenkt in dieser Szene nach unten: Gabos Füße stecken noch in Kindersocken – ein Bild, das genügt, um die Situation als Missbrauch zu kennzeichnen.
Es kommt immer darauf an, wer die Begrifflichkeit der sexuellen Missbrauchsabbildungen an Kindern definiert. Ich sehe in diesem Schnappschuss keine Kinderpornografie. Es ist schlimm, dass durch diesen kleinen Moment genau der Eindruck erweckt wird, dass dieses Strandfoto in den Händen eines Pädophilen als Pornografie zu werten ist. Eine moralische Vorverurteilung.Allein ein Urlaubsfoto am Strand dient als Beispiel für den schmalen Grat zwischen einem unverfänglichen privaten Schnappschuss und Kinderpornographie.
Was ist denn nur immer mit "Verharmlosung von Pädophilie" gemeint? Wann wurde zuletzt über die Verharmlosung von Homosexualität gesprochen? Was haben wir in der überwiegend westlichen Welt seitdem gelernt?Das Langfilm-Debüt von Steve Bach bewahrt die Integrität seiner jugendlichen Hauptfigur, ohne dass Pädophilie verharmlost würde, und entwickelt gleichzeitig eine enorme Spannung.
Das sehe ich auch so. Es ist sehr selten zu sehen, dass ein Pädophiler nicht grundlegend dunkel, wild und hintertrieben gezeichnet wird.Obwohl ein pädophiler Jugendlicher als Hauptfigur leicht auf Abwehrreflexe im Publikum stoßen könnte, gelingt es dem Film, Empathie für diesen verunsicherten Jungen zu wecken – dank der ruhigen, fokussierten Regie von Steve Bach und dem überzeugenden Spiel des Nachwuchsdarstellers Carlo Krammling.
Gleich zu Beginn eine Hommage an das großartige "Kopfplatzen"?Hin und wieder traut sich ein Film an dieses Tabu. Vor einigen Jahren erschien etwa der großartige „Kopfplatzen“ mit Max Riemelt in der Hauptrolle. Riemelt spielt darin einen Mann, der sexuell an Kindern, an kleinen Jungs interessiert ist. Es war einer der seltenen künstlerischen Versuche, daraus weder eine pathologische Verteufelung und Dämonisierung noch eine bloße Angstfantasie zu stricken. Stattdessen versuchte sich „Kopfplatzen“ an einem differenzierten, sensiblen Charakterporträt eines Mannes, der mit seinen eigenen Trieben kämpft.
Schön wäre es gewesen, hätte man es dabei belassen. Ohne Machtgefälle und den Missbrauch durch Dave.Allein dieses Szenario, das Eingestehen von Pädophilie im Jugendalter, in einen Spielfilm, eine Geschichte über das Erwachsenwerden zu verwandeln, ist so grenzüberschreitend, zwingend und mit einer solchen Unerschrockenheit angepackt, dass man nur den Hut ziehen kann. Allein die Verschiebung der Perspektive hin zu einer jugendlichen Lebensrealität bringt dabei eine konsequente Verfremdung mit sich. Sie lässt auch das Publikum einen möglicherweise vorgefertigten Blick auf dieses Tabuthema neu justieren.
Wäre ich im Film der Dave gewesen und wäre der Gabo eine niedliche Gabi, dann hätte ich ihr alle Zeit der Welt gegeben, bis sie mir ihr OK gibt. Lieber noch drei Eisbecher in den nächsten Wochen gemeinsam verputzen, als eine verunsicherte und ängstliche Jugendliche im Bett. Ganz sicher. Dafür kenne ich mich ziemlich gut. #Neutral-C. Falls also ein Drehbuchautor hier mitliest und Bock auf einen Film hat: Hier bin ich.Dass der Film dennoch Auszüge dessen zeigt und sie nicht einfach als Leerstellen in der Handlung belässt, ergibt absolut Sinn, weil darüber die Dynamiken, manipulativen Rhetoriken und Facetten der Gewalt eines solchen Übergriffs deutlich und reflektierbar werden.
Immer weiter raubt ihm die Situation die Luft zum Atmen und niemand ist da, dem er sich in seinen Erfahrungen und seinem Sein anvertrauen kann oder will. Er traut sich nicht, empfindet Scham.
Carlo Krammling liefert in der Hauptrolle eine der erschütterndsten schauspielerischen Leistungen, die man seit langer Zeit sehen konnte. 22 Jahre ist der Schauspieler alt und zeigt hier eine immense Bandbreite an lesbaren emotionalen Zuständen. Er schafft es, das Publikum an sich zu fesseln, mit ihm zu leiden. Diese Darstellung brennt sich ein! Auch deshalb, weil die Regie von Steve Bache, die Kamera von Manuel Meinhardt und das Szenenbild von Anika Klatt ein so suggestiv düster werdendes Farbenspiel inszenieren und die brechenden Blicke des Hauptdarstellers gekonnt zu der filmischen Welt in seine Beziehung setzen.
Mal angenommen, der Film würde so wie er jetzt ist auf eine breitere Basis treffen und ins Gespräch kommen bei Kinogängern, Eltern, Schülerinnen und Schülern sowie interessierten Bürgern: Wäre der Schaden durch die gewollte Präsentation eines Täters größer als der Nutzen für die Pädophilen im Allgemeinen, da wir hier als normale, verletzliche und sensible Menschen und Nachbarn dargestellt werden?Nimmt man doch dieses Beispiel: „Systemsprenger“ wurde in den Wettbewerb der Berlinale eingeladen, kam danach in die Kinos, sorgte international für Aufsehen, bescherte der Nachwuchsdarstellerin Helena Zengel Rollen in Hollywood. Zu Recht!
„No Dogs Allowed“ hätte jedoch einen ähnlichen Siegeszug verdient. Schwer verständlich, warum dieser grandiose, unvergessliche Film neben einem preisgekrönten Festival-Auftritt in Tallinn so sang- und klanglos versendet wurde. „No Dogs Allowed“ gebührt eigentlich die Aufmerksamkeit weiterer Festivals und vor allem ein Kinostart! Er braucht Diskursformate, Rahmungen.
https://suh-ev.de/2024-11-26-ein-film-der-uns-bewegt-hat hat geschrieben:NO DOGS ALLOWED schafft den Kunstgriff, den Alltag eines jungen Anti-Cs zu erzählen UND mit David Luchner eine klassische Pro-C- Geschichte einzuweben. Er verbindet die Vergangenheit, in der ausschließlich die Pro-C's den Diskurs bestimmt haben, mit der Zukunft, die wir uns wünschen.
Kurzum: NO DOGS ALLOWED ist mit Abstand der beste Film zum Thema Pädophilie, den ich jemals sehen durfte - und ich habe alle Filme zum Thema gesehen, die problemlos öffentlich verfügbar sind. Das sage ich, obwohl NDA eine Tätergeschichte erzählt.
Das Drehbuch war geschrieben, die Dreharbeiten hatten begonnen. Stephan Kämpf meldete sich noch einmal bei mir und dankte mir für meinen Input. So erfuhr ich zum ersten Mal vom Plot des Films. Ich war überrascht.
Ich dachte, ihr wolltet keine Tätergeschichte erzählen.
Also der perfekte Film?
Nein. An dieser Stelle kommen wir zu meiner größten Kritik.
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NO DOGS ALLOWED zeichnet einen einzigen Fall von Peer-Support. Nämlich den des Kontakts zwischen Gabo und David Luchner, der letztendlich darin endet, dass Gabo Leid geschieht. Die unaufgeklärte Bevölkerung könnte und wird denken, dass der Austausch zwischen Betroffenen eine schlechte Idee ist. Ein Gedanke, der schon zuvor herrschte und ein großer Teil des Stigmas ist. Immer wieder erhielt ich in meiner Zeit bei SuH und WSAM Hassnachrichten, die in diese Richtung gingen.
Mein zweiter Kritikpunkt ist folgender: Nicht-Betroffene scheinen Gabo irgendwie für einen komischen Einzelfall zu halten und Luchner für die Regel. Earl Peterson von Journey Into Cinema schreibt z.B., der Film funktioniere nur, weil Gabo NOCH kein Täter wäre („not yet an abuser“). Die Leute scheinen den Film so zu interpretieren, als zeige er in Gabo einen Pädophilen auf dem Weg zum Täter. Als hätte er irgendwie keine Wahl. Etwas, das im Film in keiner Weise so dargestellt wird, aber der Mensch sieht schließlich nur, was er glaubt und was er sehen will.
Fazit
Alles in allem ein brillanter Film. In meinen Augen der beste und mit seiner Recherche ambitionierteste Film zum Thema Pädophilie bisher. Er erzählt eine wichtige Geschichte zu einem wichtigen Thema innerhalb der Pädophilie-Debatte. Ein Tabu im Tabu. Er berührt auch Themen, die mit der LGBTQ-Community zu tun haben, da auch homosexuelle Menschen wohl ähnliche Erfahrungen mit Täter:innen machen können, seien sie nun pädophil oder nicht. An keiner Stelle wird der Film dabei ausfallend gegenüber Pädophilen, er stellt sogar mit Gabo einen jugendlichen MAP in den Mittelpunkt. Der Film bleibt ganz ruhig. Er verzichtet (wahrscheinlich bewusst) auf Aufklärung und fokussiert sich darauf, mit Gabo ein Beispiel für einen Pädophilen zu geben, dem nichts ferner liegt, als zum Täter zu werden. Leider kommt dies bei der unaufgeklärten Gesellschaft scheinbar nicht an. Kann man das dem Film zum Vorwurf machen? Nein. Aber eine kleine Aufklärungsszene am Ende hätte meiner Meinung nach nicht geschadet.
Namielle hat geschrieben: ↑01.12.2024, 13:38https://suh-ev.de/2024-11-26-ein-film-der-uns-bewegt-hat hat geschrieben:NO DOGS ALLOWED schafft den Kunstgriff, den Alltag eines jungen Anti-Cs zu erzählen UND mit David Luchner eine klassische Pro-C- Geschichte einzuweben. Er verbindet die Vergangenheit, in der ausschließlich die Pro-C's den Diskurs bestimmt haben, mit der Zukunft, die wir uns wünschen.
Das mit den Socken ist mir auch aufgefallen, vorallem, da wir Zuschauer uns die mehrere Minuten lang anschauen "durften".
Das fand ich lächerlich und ärgerlich, dass mir sowas als KiPo verkauft werden sollAllein ein Urlaubsfoto am Strand dient als Beispiel für den schmalen Grat zwischen einem unverfänglichen privaten Schnappschuss und Kinderpornographie.
Du bist echt klasse!!!naylee hat geschrieben: ↑01.12.2024, 16:52 Wenn ich mir daheim eine Küche einbauen lasse, alles aus Gold, total schön, Entspannungsmusik trällert aus dem Backofen. Aber die Küche hat einen Makel: Sie stinkt nämlich nach Abflussrohr. Ist die Küche dann auch noch brilliant, weil alles andere so unglaublich toll ist?
Das heisst, der "Junge" ist ein erwachsener Mann! (kam mir gleich so merkwürdig vor, hab selber drei in diesem Alter)Carlo Krammling
Filmmakers
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Carlo Krammling von www.filmmakers.eu
Carlo Krammling, Schauspieler, männlich, Spielalter: 16-20 Jahre, vertreten von Above the Line GmbH.