Was ist denn eigentlich hier im OB los? Regelmässig tauchen hier Aussenstehende auf, die sich durch Anstand, Seriosität und Offenheit auszeichnen. Mir wird noch ganz anders - ich mag dieses unbekannte, irritierende Gefühl aber - denn es fühlt sich gut an.
chantal hat geschrieben:
passt sich ein kind nicht immer dem wunsch eines erwachsenen an, von dem es abhängig ist?
Ich unterscheide mal drei Arten von Abhängigkeit:
Die
erste Abhängigkeit erwächst aus der natürlichen Fähigkeit eines Kindes, Angst zu empfinden (vor Verlust, Problemen, Strafe usw.), und konkretisiert sich in der Anwendung von Negativstrategien seitens des Erwachsenen. Also Einschüchterungen, Drohungen, Disziplinierungen usw.
Es liegt auf der Hand, dass diese Strategien durchaus zu Anwendung kommen; es soll ja gar unter Erwachsenen vorkommen, dass ganze Beziehungen unter solchen Voraussetzungen geführt werden. Es gibt immer wieder Erwachsene und Kinder, welche sich gegenüber solcher Strategien - auch aufgrund ihrere persönlichen charakterlichen Disposition - nicht erwehren mögen oder können. Es wäre interessant herauszufinden, ob (seitens der Person, welche "an den Hebeln sitzt") die für eine solche Beziehung erforderlichen dominanten und kontrollversessenen Charakterzüge eher bei PD's oder Heten anzutreffen sind.
Aber vielleicht spielt das gar keine Rolle, solange es offensichtlich Kinder gibt, die durchaus in ihrer persönlichen Entwicklung unter den daraus sich ergebenden Zwängen zu leiden haben. Was entscheidender ist, ist die Frage, inwiefern eine solche auf Kontrolle und Zwängen basierende Beziehung - sagen wir, eines PD's - zu einem Kind lebensfähig ist.
Ich kann mir zwei Kontexte vorstellen, wo dies möglich ist: Im nahen familiären Umfeld des Kindes, was den worst case darstellen kann, weil dem Kind die Möglichkeiten fehlen könnten, sich an Vertrauenspersonen zu wenden und seine Nöte zu kommunizieren (sprachlich, Verhalten usw.), weil eben diese Vertrauenspersonen ja in die Zwängerei Involvierte sein könnten. Lebensfähig sind solche Beziehungen ausserdem, wenn ein Aussenstehender mit einem Kind ein derartiges Verhältnis führt und gleichzeitig die familiären Verhältnisse des Kindes brach liegen oder dermassen beschissen sind, dass in seinem innersten Kreis fähige Vertrauenspersonen Mangelware sind (Es also Eltern hat, die nicht am inneren Wohlbefinden oder Seelenleben des Kindes interessiert sind). Auch das ist ein ziemliches worst-case Szenario.
Ich denke, in allen anderen Fällen sind solche Beziehungen nicht lebensfähig: Denn wenn man als Eltern redlich um das Wohl der Kinder bemüht ist, zu ihnen ein inniges, vertrauensvolles Verhältnis pflegt, bin ich mir sicher, dass ein Kind sich mit seinen etwaigen Nöten an einen wenden wird. Insbesondere dann, wenn man es vorausgehend dementsprechend aufklärt, offen mit ihm über alles spricht, ihm kommuniziert, dass es nichts gibt, wofür es sich schämen muss, und sich für seine Bekanntschaften interessiert - so dass das Kind in jedem Fall weiss, dass es immer eine Ansprechperson hat - egal was los ist.
Wenn ein Kind über gute elterliche Bindungen und Vertrauensverhältnisse verfügt, stellt dies den besten Schutz vor allfälligen ausbeuterischen Verhältnissen dar, ganz egal, ob der Ausbeutende nun ein PD oder eine frustrierte, machtgeile Hete ist. Ganz generell lässt sich aber wohl sagen: Es kann einem Kind sicherlich nicht schaden, auch ausserhalb des familiären Rahmens mit Erwachsenen zu tun zu haben, welche in redlicher Hinsicht um sein Wohlergehen bemüht sind - im Gegenteil. Ob das nun PDs sind oder Heten, Männer oder Frauen, ist m.M. nach völlig zweitrangig. Je besser und vertrauensvoller "vernetzt" ein Kind ist, desto grösser die Wahrscheinlichkeit, dass seine Sorgen, sollte es welche haben, irgendwem mitgeteilt werden. Was - normalerweise - zu einer Verbesserung seiner Situation führen sollte. Das ist ja bei Erwachsenen genauso der Fall. Gute Freunde können nie was Schlechtes sein.
Fazit: Ein PD sollte schon aus Selbstinteresse - will er die Beziehung aufrechterhalten - auf solche Strategien verzichten, wenn er das schon nicht aus Gründen des Respekts gegenüber dem Kind tut. Sollte das Kind in schütteren familiäre Verhältnissen eingebettet sein, dann liegt der Hund m.E.n. ganz klar dort begraben. Eine schlechte, unachtsame Kernfamilie ist immer noch die hauptsächliche Quelle für Entwicklungsstörungen, bzw. eine verhinderte "Reperatur" derselben.
Die
zweite Abhängigkeit erwächst aus der natürlichen Autorität des Erwachsenen heraus und hängt damit zusammen, dass dieser sowohl über mehr Lebenserfahrung, körperliche Kraft und co. verfügt, als auch üblicherweise über die Mittel, seine Autorität gegenüber einem Kind durchzusetzen. Kinder sind gewissermassen offen dafür, geführt zu werden, was ihnen der Erwachsene zur Verfügung stellt - ein Abhängigkeitsverhältnis entsteht. Daraus kann sich natürlich eine entsprechend nahe Beziehung zu einem Kind entwickeln. Als PD wird man sicherlich bemüht sein, dem Kind zu kommunizieren, dass man es sehr schätzt, die Zeit mit ihm zu verbringen. Da wird Spielerisches vorhanden sein, Komplimente werden gemacht werden (z.B. für eine Bastelarbeit, eine aussergewöhnliche Fähigkeit, aber durchaus auch mal für die schöne Frisur, die passenden Klamotten usw.). Man wird sich führen lassen vom Kind, in seine Welt eintauchen, wird wohl aber auch mal die Zügel in die Hand nehmen. Die "Abhängigkeiten" gleichen sich aus. Ich sehe da nichts Schlechtes oder Erschleichendes darin - wieso auch? Wenn das Kind offensichtlich Gefallen am Kontakt hat und davon profitiert, wird dem PD das Herz warm - und man befreundet sich. Und wie bereits gesagt: Gute Freunde zu haben, das kann nie was Schlechtes sein.
Die
dritte Abhängigkeit ist jene, die aus dem Gefühl der Zuneigung erwächst. Auch Erwachsene bekunden bekanntermassen öfters ihre liebe Müh' und Not damit, jemandem, den sie mögen und dem sie gefallen möchten, zu enttäuschen, etwas abzuschlagen - und finden sich gelegentlich in der Situation, wo sie nicht nein sagen, oder dem geschätzten Mensch zuliebe etwas tun, worauf sie jetzt nicht unbedingt selbst gekommen wären. Oder, was auch vorkommt, dass die Wünsche der geschätzten Person höher bewertet werden, man sich anpasst - und allenfalls noch eine maskenmässige Mimik aufsetzt, um den entsprechenden Menschen nicht über sein Missbehagen zu informieren (und damit zu enttäuschen).
Ich glaube, es sollte mit grundlegenden Menschenkenntnissen, Ehrlichkeit zu sich selbst und etwas Sensibilität durchaus möglich sein, solche allenfalls aufgesetzten Masken zu durchschauen. Gerade Kinder sind ja nicht gerade bekannt dafür, sich gross zu verstellen. Ich wage mal zu behaupten, dass für einen Grossteil der PDs gerade diese Eigenschaft einen wesentlichen Bestandteil der Anziehung ausmacht. Gut, vielleicht wird man sich als PD auch täuschen lassen, indem man sich einredet, dass eine bestimmte Handlung oder Äusserung nur aufrichtig gemeint sein
kann, weil sie ja von einem Kind ausgeht, dabei aber die Komplexität des Kontextes (Von wem aus erfolgt der Input, welche Motivationen könnten dahinterliegen, mitzumachen) ausser Acht lässt. Ich denke aber, dass auch hier, sollte es zu Fehlverhalten oder -Interpretationen seitens des PDs kommen, - absichtlich oder nicht - das durchaus ausbügelbar ist. Im besten Fall, indem das Kind und der PD selbst über bestimmte Sachen offen reden (ich sehe hier den PD in erster Linie in der Pflicht), und sonst halt, wie weiter oben geschildert, indem sich das Kind an seine - hoffentlich verhandenen - Vertrauenspersonen wendet: Eltern oder Freunde.
Hmm, so eine einfach Frage, und so ein ausufernder Text.
