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Sascha
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Re: Kritisches Wörterbuch der Sexualwissenschaft

Beitrag von Sascha »

Ovid hat geschrieben:Zumindest sind diese Vorstellungen kompatibel mit dem was wir schon wissen. Und es wird auch ständig versucht aus diesen Theorien testbare Umstände abzuleiten bevor man sie überhaupt in Erwägung zieht.
Richtig. Nur hat das eben überhaupt nichts mit einer Erstbegründung zu tun.
Ganz anders als beispielsweise die Junge-Erde-Kreationisten, die vollkommen alle möglichen Erkenntnisse aus verschiedenen Naturwissenschaften blind ignorieren.
Und die, im Gegensatz dazu, lieber Erstbegründungen wie die durch Heilige Schriften verwenden.
Sascha hat geschrieben: Ansonsten misst die moderne wissenschaftliche Methode Erstbegründungen keineswegs ein "nicht so großes" Gewicht bei, sondern gar keins.
Die wissenschaftliche Methode selbst ja nicht. Aber jemand, der sich wissenschaftlich betätigt, verlässt sich mindestens implizit auf die Erstbegründungen.
Ne. Ich verlasse mich auf keinerlei Erstbegründungen. Im Gegenteil, ich spreche Leuten, die Erstbegründungen verwenden oder auch nur vorschlagen die Wissenschaftlichkeit ab.
Ich weiß nicht, wie das in heutigen Studiengängen der Naturwissenschaften ist, aber zumindest früher war es so, dass die Physiker auch einen ganzen Batzen philosophischer Wissenschaftstheorie mitstudiert haben.
Das gehört hoffentlich heute auch zur Ausbildung - leider wohl nur in sehr reduzierter Form, wenn ich die Ergebnisse ansehe.
Die Erziehungswissenschaftler haben als Erstbegründung ihre Anthropologie. Dass der Menschen ein Wesen ist, das lernt und lernen muss um zu überleben.

Jede Wissenschafts begründet sich auf solche Erstbegründungen, da gebe ich Coco schon recht.
Ich aber nicht. Wissenschaften verwenden die verschiedensten Hypothesen. Das bedeutet aber nicht, dass sie sich darauf irgendwie verlassen könnten, oder dass diese selbst auch überhaupt nur begründet seien. Klar sind sie oftmals begründet, in höher entwickelten Wissenschaften sogar meist ganz gut. Aber erstbegründet sind sie keineswegs. Das Wort selbst entstammt dem Kontext einer völlig falschen Methodologie.
Das kann für eine wissenschaftliche Ethik doch genauso gelten - so jedenfalls Harris in seiner Argumentation.
Ist ja für eine egoistisch-strategische Ethik gar kein Problem. Man macht Annahmen über die Interessen der Beteiligten, und die Frage nach der optimalen Strategie, diese durchzusetzen, ist dann eine ganz normale wissenschaftliche Frage.
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Ovid
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Re: Kritisches Wörterbuch der Sexualwissenschaft

Beitrag von Ovid »

Sascha hat geschrieben: Ne. Ich verlasse mich auf keinerlei Erstbegründungen. Im Gegenteil, ich spreche Leuten, die Erstbegründungen verwenden oder auch nur vorschlagen die Wissenschaftlichkeit ab.
Aber wie funktioniert Wissenschaft dann? Dann kannst du doch gar nichts feststellen?
Selbst die Logik kann sich nicht selbst begründen. Aber Logik benutzt du beispielsweise unentwegt, wenn du wissenschaftlich arbeitest.

Du nimmst mindestens an, dass es einen Unterschied zwischen wahr und falsch gibt. Wo hast du das bewiesen?
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Cocolinth
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Re: Kritisches Wörterbuch der Sexualwissenschaft

Beitrag von Cocolinth »

Sascha hat geschrieben:
Cocolinth hat geschrieben: Eben. Also kann man es nicht, ohne entsprechende Voraussetzungen zu machen.
Was zu beweisen war.
Oh, das war zu beweisen?

Ohne entsprechende Voraussetzungen zu machen kann man überhaupt nichts sagen.
Na, wenn Du das für einen Gemeinplatz hältst, warum widersprachst Du mir dann? ;)

Die Voraussetzung von Werten zeigt -- vor allem, wenn dies ohnehin IMMER und für ALLES gelten sollte -- dass die Wissenschaft ohne sie keine Vorteile zeigen kann.

WAS ZU BEWEISEN WAR. (Und von Dir in Frage gestellt worden war. Muss ich Dich wirklich mit Deinem eigenen Zitat blamieren?)

Also bitte nicht aus der Affäre rauszuwinden versuchen. Hat Ovid ja bloß ein Stückchen weit vor Dir auch probiert.
Sex mit Kindern ab 14 ist (in D) per se legal:
  • „Der Gesetzgeber traut diesen zu, über ihre Sexualität in einem gewissen Umfang selbst zu bestimmen. […] eine pauschale Strafbarkeit besteht somit nicht. [Nur] In besonderen Fällen ist […] der Sex […] unter Strafe gestellt.“
(Thx @ ChrisGL&Anwalt)
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Cocolinth
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Re: Kritisches Wörterbuch der Sexualwissenschaft

Beitrag von Cocolinth »

Ovid hat geschrieben:Musst du nicht weiter demontieren, gebe ich gerne zu.
Es ist aber geradezu Teil der Argumentation, dass es sinnvoll ist bei Tagesordnungspunkt 2 weiterzumachen.
Wir finden, dass es sinnlos ist sich mit merkwürdigen religiösen fundamentalistischen Ideen von Ehtik auseinanderzusetzen und setzen hier unsere Prämissen bewusst.
Was (ebenso) von mir zu beweisen war. :mrgreen:
Denn beide Vorschläge sind für dich gleichrangig gültig?
Cocolinth hat geschrieben: Das halte ich für unausweichlich.
Oder habe ich dich da falsch verstanden?

Welche Prämissen setzt du denn für deine Ehtik? Und wie sieht deine philosophische Rechtfertigung aus so zu handeln?
Wie Du schon selbst festgestellt hast, funktioniert der vor-wissenschaftliche Diskurs nicht über rationales Kalkül. Es gibt keine "Rechtfertigung".

Die Sache geht rein suggestiv und persuasiv vor sich -- dialektisch, wie Du sagst. Man könnte auch von Gewissensfragen, Vernunftsappellen, Bauchgefühlen oder schlicht vom freien Willen (Schopenhauer-Lesweise: vom "blinden Willen") sprechen.

Das ist meiner Ansicht nach auch der einzige wirkliche Grund, warum die (Natur-)Wissenschaft den Rang einnehmen konnte, der ihr heute zukommt. Sie hat die Menschen verführt. Der Vorwurf der Religiösen, sie trage satanische Charakterzüge, ist nicht von der Hand zu weisen. Dazu braucht man auch nicht selbst religiös zu sein. Es genügt, die religiöse Mythen- und Symbolsprache quasi-materialistisch ausdeuten zu können.
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Ovid
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Re: Kritisches Wörterbuch der Sexualwissenschaft

Beitrag von Ovid »

Cocolinth hat geschrieben: Was (ebenso) von mir zu beweisen war. :mrgreen:
Da bemühst du dich umsonst.
Dass man für Ethikwissenschaften genauso wie für Naturwissenschaften Voraussetzungen treffen muss - und auch, dass es für jede Wissenschaft jeweils unterschiedliche Voraussetzungen gibt - ist jetzt nicht wirklich etwas, was mich wundern würde oder ich bestritten habe. *schulterzuck*
Cocolinth hat geschrieben: Wie Du schon selbst festgestellt hast, funktioniert der vor-wissenschaftliche Diskurs nicht über rationales Kalkül. Es gibt keine "Rechtfertigung".
Ebenso für die Voraussetzungen aller anderen Wissenschaften.
Cocolinth hat geschrieben: Das ist meiner Ansicht nach auch der einzige wirkliche Grund, warum die (Natur-)Wissenschaft den Rang einnehmen konnte, der ihr heute zukommt. Sie hat die Menschen verführt. Der Vorwurf der Religiösen, sie trage satanische Charakterzüge, ist nicht von der Hand zu weisen. Dazu braucht man auch nicht selbst religiös zu sein. Es genügt, die religiöse Mythen- und Symbolsprache quasi-materialistisch ausdeuten zu können.
Meinetwegen.
Verstehe nur nicht, warum du bei Harris herumheulst, aber bei einem Physiker beispielsweise, der seit Jahrzehnten nicht mehr an die wissenschaftstheortischen Voraussetzungen seines Faches gedacht hat, nichts auszusetzen hat.
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Sascha
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Re: Kritisches Wörterbuch der Sexualwissenschaft

Beitrag von Sascha »

Ovid hat geschrieben:Aber wie funktioniert Wissenschaft dann? Dann kannst du doch gar nichts feststellen?
Feststellen muss ich ja auch gar nichts. Ich stelle Hypothesen auf, die erlauben es, Voraussagen zu machen, und die Voraussagen treffen ein - damit hat sich die Hypothese erstmal bewährt.

In irgendeiner Weise festgeschraubt oder festgestellt ist sie damit keineswegs. Wenn morgen eine weitere Voraussage der Hypothese nicht zutrifft, ist klar, dass irgendwas an der Hypothese falsch sein muss. Und dann haben wir ein offenes wissenschaftliches Problem. Und das löst man mit Hilfe anderer, neuer, besserer Hypothesen ...

An keiner Stelle brauche ich irgendwas Festgeschraubtes. Das brauchen nur Dogmatiker.
Selbst die Logik kann sich nicht selbst begründen. Aber Logik benutzt du beispielsweise unentwegt, wenn du wissenschaftlich arbeitest.

Du nimmst mindestens an, dass es einen Unterschied zwischen wahr und falsch gibt. Wo hast du das bewiesen?
Nirgends. Wozu auch? Bin ja kein Mathematiker, und brauche weder Erst- noch Letztbegründungen. Ich lasse dir gerne die Freiheit, zu bezweifeln, dass es einen Unterschied zwischen wahr und falsch gibt, oder neue, andere Regeln für die Logik vorzuschlagen, bezweifle allerdings, dass das eine gute Idee ist. Wenn ich Grund hätte, an den Regeln der Logik zu zweifeln, wäre ich allerdings auch dazu bereit, das selbst zu tun. Habe ich jedoch nicht.
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Ovid
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Re: Kritisches Wörterbuch der Sexualwissenschaft

Beitrag von Ovid »

Sascha hat geschrieben: Wenn ich Grund hätte, an den Regeln der Logik zu zweifeln, wäre ich allerdings auch dazu bereit, das selbst zu tun.
Aber mit "keinen Grund haben an der Logik zu zweifeln" etablierst du, dass Logik ein gültiges Hilfsmittel für dein wissenschaftliches Arbeiten ist.
Eine Voraussetzung also. Das war die ganze Zeit gemeint.
Du beweist die Logik nicht - Logik ist nicht Teil deiner Hypothese, die sich falsifizieren lässt oder ähnliches. Sie liegt damit komplett außerhalb deiner wissenschaftlichen Methode und ist eine Voraussetzung für diese. Wir haben das in diesem Thread manchmal "Erstbegründung" genannt, was im vlt. etwas missverständlich war?!
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Sascha
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Re: Kritisches Wörterbuch der Sexualwissenschaft

Beitrag von Sascha »

Cocolinth hat geschrieben: Wie Du schon selbst festgestellt hast, funktioniert der vor-wissenschaftliche Diskurs nicht über rationales Kalkül. Es gibt keine "Rechtfertigung".

Die Sache geht rein suggestiv und persuasiv vor sich -- dialektisch, wie Du sagst. Man könnte auch von Gewissensfragen, Vernunftsappellen, Bauchgefühlen oder schlicht vom freien Willen (Schopenhauer-Lesweise: vom "blinden Willen") sprechen.

Das ist meiner Ansicht nach auch der einzige wirkliche Grund, warum die (Natur-)Wissenschaft den Rang einnehmen konnte, der ihr heute zukommt. Sie hat die Menschen verführt. Der Vorwurf der Religiösen, sie trage satanische Charakterzüge, ist nicht von der Hand zu weisen. Dazu braucht man auch nicht selbst religiös zu sein. Es genügt, die religiöse Mythen- und Symbolsprache quasi-materialistisch ausdeuten zu können.
Mag sein dass Ovid so denkt, aber auch der vorwissenschaftliche Diskurs verlief rational. Die wissenschaftliche Methode ist nichts anderes als die vorwissenschaftliche Methode des gesunden Menschenverstandes.

Das einzige Problem mit der Religion sind ja nicht die konkreten Glaubensinhalte, sondern ihr Umgang mit Abweichlern und Häretikern. Ein Umgang, der übrigens eine Erfindung des Monotheismus ist, denn der Polytheismus hat kein Problem damit, dass irgendjemand anders irgendwelche anderen Götter anbetet - soll er doch Holzklötze anbeten soviel wie er will, wenn er meint, die würden ihm helfen.

Und natürlich der Missbrauch der göttlichen Authorität durch Leute, die behaupten, direkten Zugang zu Gottes Befehlen zu haben.
Ovid hat geschrieben:Aber mit "keinen Grund haben an der Logik zu zweifeln" etablierst du, dass Logik ein gültiges Hilfsmittel für dein wissenschaftliches Arbeiten ist.
Eine Voraussetzung also. Das war die ganze Zeit gemeint.
Du beweist die Logik nicht - Logik ist nicht Teil deiner Hypothese, die sich falsifizieren lässt oder ähnliches. Sie liegt damit komplett außerhalb deiner wissenschaftlichen Methode und ist eine Voraussetzung für diese. Wir haben das in diesem Thread manchmal "Erstbegründung" genannt, was im vlt. etwas missverständlich war?!
Ich beweise die Logik natürlich nicht. Klar, sie ist, wie alle anderen Teilhypothesen, Voraussetzung.

Und unterscheidet sich prinzipiell nicht von ihnen. Denn auch all die anderen Teilhypothesen lassen sich nicht separat falsifizieren. Falsifiziert wird immer nur ein ziemlich großer Komplex - der besteht aus allen möglichen Teilhypothesen, die gebraucht werden, um irgendeine nichttriviale Voraussage zu machen, und natürlich auch der Logik, ohne deren Hilfe man die Teilhypothesen kaum zu einer überprüfbaren Voraussage kombinieren könnte.

Sicher könnte man der Logik einen gewissen Sonderstatus zubilligen, einfach weil niemand sie ernsthaft bezweifelt. Nur, wozu? Schadet ja nichts, wenn man sich prinzipiell auch die Möglichkeit offenlässt, sogar die Logik zu bezweifeln. Man muss es ja deswegen nicht gleich machen.

Wenn man es nicht macht, ist sie genauso nur eine der Hypothesen, die verwendet werden, mit demselben prinzipiellen Status wie die anderen Hypothesen.
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Ovid
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Re: Kritisches Wörterbuch der Sexualwissenschaft

Beitrag von Ovid »

Ich versuche noch einmal zu rekonstruieren, wie ich diesen (im übrigen sehr spannenden) Thread bisher verstanden habe und was nun genau noch zum Disput steht.

1) Ich schlug vor die Ehtik nach Harris "The Moral Landscape" zu verwissenschaftlichen.

2) Coco verneinte die Möglichkeit, dass diese Wissenschaft ethische Aussagen machen kann.

3) Ich sagte daraufhin, dass man einfach ein paar Voraussetzungen treffen muss, damit das ginge.

4) Das lehnte er ab, weil ich dadurch den dialektischen vorwissenschaftlichen Diskurs einfach übergehe.

5) Ich verwies dann auf die Naturwissenschaften, die auch bestimmte Voraussetzungen treffen und sich zum größten Teil diesbezüglich festgelegt haben. (momentan: Falsifikationismus aus dem kritischen Rationalismus nach Popper)

Nun kannst du ja behaupten, dass du nie etwas als Voraussetzung siehst, alles seien nur Hypothesen, die man prinzipiell falsifizieren könnte, wenn jemand nur einen Weg findet, einen Test dafür zu postulieren.

Dann sind es eben Hypothesen, die du notwendig als sinnvoll annimmst (Logik, Falsifikationismus), aber das ändert ja nichts daran, dass ich für eine Wissenschaft der Ethik doch theoretisch auch so operieren kann, wie Sam Harris das vorschlägt, indem ich sehr plausible Hypothesen als notwendig wahr annehme, die prinzipiell aber natürlich jeder Zeit noch angefochten werden können.
Oder was würde prinzipiell noch dagegen sprechen?
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Re: Kritisches Wörterbuch der Sexualwissenschaft

Beitrag von gelöscht_13 »

Dagegen spricht dass ethische Grundsätze der Wissenschaft im Wege stehen.

Man kann nicht einerseits ein Projekt gegen etwas fördern und andererseits neutrale Wissenschaft abgeben, die das Projekt und deren Finanzierung zerstören würde.

Würde sich die Ethik ändern, wäre die Wissenschaft in dem Bereich vorbei.
Neue Erstbegründungen entstünden.

Bei Naturwissenschaften spielt die Ethik eine untergeordnete Rolle. Die wird getrennt behandelt. Für das Forschen selbst ist sie irrelevant.
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Sascha
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Re: Kritisches Wörterbuch der Sexualwissenschaft

Beitrag von Sascha »

Ovid hat geschrieben: Ich verwies dann auf die Naturwissenschaften, die auch bestimmte Voraussetzungen treffen und sich zum größten Teil diesbezüglich festgelegt haben. (momentan: Falsifikationismus aus dem kritischen Rationalismus nach Popper)

Nun kannst du ja behaupten, dass du nie etwas als Voraussetzung siehst, alles seien nur Hypothesen, die man prinzipiell falsifizieren könnte, wenn jemand nur einen Weg findet, einen Test dafür zu postulieren.
Ich mische mich ja in die Diskussion nur korrigierend ein wo ich Fehler vom Standpunkt des kritischen Rationalismus aus erkenne, was ihr ja beide schafft ;)

Hier sehe ich nochmal eine Wiederholung eines Fehlers den ich gerade angesprochen habe: Es ist nicht die einzelne Hypothese, die falsifiziert wird oder überhaupt falsifizierbar ist, sondern immer eine komplexe Kombination mehrerer Hypothesen. Quine ging dabei soweit, zu sagen, dass es im Prinzip immer die Gesamtheit der Wissenschaft ist, die falsifiziert wird - worauf Popper zurecht einwandte, dass das dann doch zu weit geht, und dass die Wissenschaft sehr wohl in der Lage ist, etwas genauer zu lokalisieren, welche der verwendeten Theorien am ehesten die Schuldigen sind, wenn eine Voraussage falsifiziert wurde.

Allerdings, der praktische Trick dahinter ist, dass man nicht nur ein Experiment betrachtet, sondern viele und sehr verschiedene. Jedes einzelne Experiment braucht beispielsweise Annahmen über die Funktionsfähigkeit aller verwendeten Messgeräte. Aber wenn man eigentlich dasselbe Experiment mit sehr verschiedenen Messgeräten wiederholt, und andererseits die Messgeräte selbst noch in vielen anderen Experimenten verwendet, kann man schon herauskriegen, ob da nun an den Messgeräten was falsch war oder an der Theorie über das was gemessen wurde. Nur, logisch bringt das wenig - einen logischen Beweis, dass es das Messgerät ist, was falsch ist, kriegt man nicht.
Dann sind es eben Hypothesen, die du notwendig als sinnvoll annimmst (Logik, Falsifikationismus), aber das ändert ja nichts daran, dass ich für eine Wissenschaft der Ethik doch theoretisch auch so operieren kann, wie Sam Harris das vorschlägt, indem ich sehr plausible Hypothesen als notwendig wahr annehme, die prinzipiell aber natürlich jeder Zeit noch angefochten werden können.
Oder was würde prinzipiell noch dagegen sprechen?
Prinzipiell spricht gar nichts dagegen, mit Ausnahme deiner Wortwahl. Das Wort "notwendig" hat da nämlich überhaupt nichts verloren.

"Notwendig" wäre nur auf der Metaebene angebracht: Es ist notwendig, dass du irgendwelche Annahmen/Hypothesen machen musst. Also notwendig, dass du irgendwas annimmst, und dann sagst "ok, nehmen wir jetzt einfach mal an das sei wahr, ich weiß zwar, dass es eigentlich so nicht wahr sein kann, aber erstmal egal. Was dann?"

Aber auf der Ebene der Hypothesen selbst ist nichts notwendig. Keine einzige der von dir verwendeten Annahmen ist "notwendig wahr". Ich nehme also gerne ein paar Hypothesen über das, was du erreichen willst, sagen wir mal Überleben, Spaß mit kleinen Mädchen haben, und gesund und frei bleiben, an, um daraus dann eine optimale Strategie für dich herzuleiten. Ich vermute mal, die könnten wahr sein. Aber sie sind in keinster Weise notwendig wahr. Du könntest Masochist sein, oder Abenteurer, oder christlicher Fundi, der sich als reuevoller Sünder nach Bestrafung sehnt.
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Cocolinth
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Re: Kritisches Wörterbuch der Sexualwissenschaft

Beitrag von Cocolinth »

Ovid hat geschrieben:
Cocolinth hat geschrieben: Was (ebenso) von mir zu beweisen war. :mrgreen:
Da bemühst du dich umsonst.
Keine Sorge: Da (bzw. solange) Du es endlich zugibst, spare ich mir die weitere Mühe. ;)
Dass man für Ethikwissenschaften genauso wie für Naturwissenschaften Voraussetzungen treffen muss - und auch, dass es für jede Wissenschaft jeweils unterschiedliche Voraussetzungen gibt - ist jetzt nicht wirklich etwas, was mich wundern würde oder ich bestritten habe. *schulterzuck*
Was hat das jetzt mit dem von Dir zitierten Abschnitt zu tun, indem Du zugibst, was Du zuvor abgestritten hast, nämlich, dass Du und Harris den vorwissenschaftlichen Diskurs übergeht und gleich bei Tagesordnungspunkt 2 weitermacht? :?

Hingegen haben wir das, was Du da jetzt wieder hervorkramst, doch längst abgehakt. Ablenkungsmanöver?

Cocolinth hat geschrieben: Wie Du schon selbst festgestellt hast, funktioniert der vor-wissenschaftliche Diskurs nicht über rationales Kalkül. Es gibt keine "Rechtfertigung".
Ebenso für die Voraussetzungen aller anderen Wissenschaften.
Vielleicht... und nun?

Bezug zum Thema?? :?

Cocolinth hat geschrieben: Das ist meiner Ansicht nach auch der einzige wirkliche Grund, warum die (Natur-)Wissenschaft den Rang einnehmen konnte, der ihr heute zukommt. Sie hat die Menschen verführt. Der Vorwurf der Religiösen, sie trage satanische Charakterzüge, ist nicht von der Hand zu weisen. Dazu braucht man auch nicht selbst religiös zu sein. Es genügt, die religiöse Mythen- und Symbolsprache quasi-materialistisch ausdeuten zu können.
Meinetwegen.
Verstehe nur nicht, warum du bei Harris herumheulst, aber bei einem Physiker beispielsweise, der seit Jahrzehnten nicht mehr an die wissenschaftstheortischen Voraussetzungen seines Faches gedacht hat, nichts auszusetzen hat.
Das weißt Du doch gar nicht.

Ich glaube allmählich, Du hast hier ein bisschen den Faden verloren. Es geht/ging um die Frage, ob Wissenschaft an sich ethisch wertschöpfend sein kann. Und da ist es eben wichtig, ob bei einer Bejahung dieser Frage nicht doch ethische, vorwissenschaftliche Stützen in Form klotziger Prämissen zu Hilfe genommen werden.

Ob sie sich selbst begründen kann/muss, ist eine andere Diskussion, aus der ich mich an dieser Stelle eben drum weitgehend rausgehalten habe. Denn ich diskutiere tatsächlich vor allem der Sache wegen. Weniger wegen des Diskutierens selbst.
Sex mit Kindern ab 14 ist (in D) per se legal:
  • „Der Gesetzgeber traut diesen zu, über ihre Sexualität in einem gewissen Umfang selbst zu bestimmen. […] eine pauschale Strafbarkeit besteht somit nicht. [Nur] In besonderen Fällen ist […] der Sex […] unter Strafe gestellt.“
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Re: Kritisches Wörterbuch der Sexualwissenschaft

Beitrag von Cocolinth »

Sascha hat geschrieben:
Selbst die Logik kann sich nicht selbst begründen. Aber Logik benutzt du beispielsweise unentwegt, wenn du wissenschaftlich arbeitest.

Du nimmst mindestens an, dass es einen Unterschied zwischen wahr und falsch gibt. Wo hast du das bewiesen?
Nirgends. Wozu auch? Bin ja kein Mathematiker, und brauche weder Erst- noch Letztbegründungen. Ich lasse dir gerne die Freiheit, zu bezweifeln, dass es einen Unterschied zwischen wahr und falsch gibt, oder neue, andere Regeln für die Logik vorzuschlagen, bezweifle allerdings, dass das eine gute Idee ist. Wenn ich Grund hätte, an den Regeln der Logik zu zweifeln, wäre ich allerdings auch dazu bereit, das selbst zu tun. Habe ich jedoch nicht.
Sehr schön geschrieben, Sascha!

Und das nimmt nun auch wieder Bezug zu meiner Diskussion mit Ovid. Denn der Anlass zu Zweifeln ist wieder so ein vor-wissenschaftlicher Aspekt, der nur mit persuasiven Mitteln ausgefochten wird.

Dir ist es wichtig (weil Du nicht anders kannst), zumindest temporär und im Rahmen einer gewissen Genauigkeit brauchbare Voraussagen treffen zu können. Vermutlich, weil Du das für eine nützliche Sache hältst, die Deinen weltlichen Ambitionen entgegenkommt (philosophisch: Utilitarismus).

Die Logik hat Dich diesbezüglich beeindrucken können wie Jesus seine Anhänger mit dem Wein und den Fischen. So wurdest Du zu ihrem Jünger. (Ich übrigens auch. :oops: :wink: )
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Re: Kritisches Wörterbuch der Sexualwissenschaft

Beitrag von Ovid »

Sascha hat geschrieben: Ich mische mich ja in die Diskussion nur korrigierend ein wo ich Fehler vom Standpunkt des kritischen Rationalismus aus erkenne, was ihr ja beide schafft ;)
Na, dann bin ich doch froh hier noch lernen zu können. :wink:
Cocolinth hat geschrieben: Was hat das jetzt mit dem von Dir zitierten Abschnitt zu tun, indem Du zugibst, was Du zuvor abgestritten hast, nämlich, dass Du und Harris den vorwissenschaftlichen Diskurs übergeht und gleich bei Tagesordnungspunkt 2 weitermacht?
Das habe ich nie abgestritten. Du kannst ihm höchstens vorwerfen Tagesordnungspunkt 1 ziemlich kurz gehalten zu haben.
Ob man das nun übergehen nennt oder vernachlässigen oder was weiß ich, kannst du ja getrennt kritisieren.
Er behauptete ja nie, dass dieser Kurs keine vorwissenschaftlichen Voraussetzungen nötig habe, sondern nur, dass er sich da festgelegt hat und jetzt aber seine Energie in T2 stecken möchte.
Cocolinth hat geschrieben: Ich glaube allmählich, Du hast hier ein bisschen den Faden verloren. Es geht/ging um die Frage, ob Wissenschaft an sich ethisch wertschöpfend sein kann. Und da ist es eben wichtig, ob bei einer Bejahung dieser Frage nicht doch ethische, vorwissenschaftliche Stützen in Form klotziger Prämissen zu Hilfe genommen werden.
Na dann unterschieden sich unseren Meinungen wohl nur noch darin, ob die Prämisse von Harris klotzig ist oder eben nicht (wofür man inhaltlich argumentieren könnte).
Das andere gebe ich dir doch alles. :?:
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Re: Kritisches Wörterbuch der Sexualwissenschaft

Beitrag von Sascha »

Cocolinth hat geschrieben:Denn der Anlass zu Zweifeln ist wieder so ein vor-wissenschaftlicher Aspekt, der nur mit persuasiven Mitteln ausgefochten wird.
Diese Unterscheidung in vor- und nachwissenschaftlich ist etwas, was ich nicht nachvollziehen kann. Die Aufklärung sah sich wohl in so einer Situation, wir beginnen jetzt das Zeitalter der Wissenschaft, alles viel besser und völlig anders als dieser religiöse Quatsch vorher. Aber die damaligen Vorstellungen von der wissenschaftlichen Methode waren einfach nur Quatsch.

Poppers kritischer Rationalismus zeigt, dass es von der Methode her gar keinen Unterschied gibt zwischen eine Vorwissenschaft und der Wissenschaft. Hypothesen aufgestellt hat man schon vorher, aus Hypothesen Voraussagen abgeleitet auch, wenn die zutrafen, wurde das schon immer als Unterstützung für die Richtigkeit der Hypothese selbst angesehen, aber es war trotzdem den meisten klar, dass eine solche Unterstützung noch kein Beweis der Richtigkeit ist. Mit anderen Worten, die Wissenschaft nach dem kritischen Rationalismus ist nichts als gesunder Menschenverstand, den es auch schon vorwissenschaftlich gab.
Es geht/ging um die Frage, ob Wissenschaft an sich ethisch wertschöpfend sein kann. Und da ist es eben wichtig, ob bei einer Bejahung dieser Frage nicht doch ethische, vorwissenschaftliche Stützen in Form klotziger Prämissen zu Hilfe genommen werden. ...

Und worum dieser Streit nun eigentlich geht, ist mir damit auch nicht klar.

Wenn die wissenschaftliche Methode nichts als der vorwissenschaftliche gesunde Menschenverstand ist, dann ist ja sowieso tautologisch, dass jeder wissenschaftliche Beitrag zur Ethik auf vorwissenschaftlichem gesunden Menschenverstand aufbaut, weil er ja auf der wissenschaftlichen Methode aufbaut.

Wenn Ethik einfach nur rationale Strategie ist, die eigenen Interessen durchzusetzen (die wohl eigentlich philosophisch zentrale kritische Frage) dann ist die Wissenschaft natürlich voll in der Lage, ethische Resultate zu liefern. Ok, vielleicht wäre Technik da schon eine genauere Bezeichnung, aber das wäre ja kaum der Punkt. Ich sage, was ich will (ein schnell fahrendes Auto - eine gute Liebesbeziehung) und der Wissenschaftler kann mir Lösungen vorschlagen (Konstruktionsplan für ein Auto, Verhaltensregeln im Umgang mit Freunden) die optimal dafür sein könnten.
Dir ist es wichtig (weil Du nicht anders kannst), zumindest temporär und im Rahmen einer gewissen Genauigkeit brauchbare Voraussagen treffen zu können. Vermutlich, weil Du das für eine nützliche Sache hältst, die Deinen weltlichen Ambitionen entgegenkommt (philosophisch: Utilitarismus).
Wenn schon dann bitte Instrumentalismus (Utilitarismus war der Schwachsinn mit dem größten Glück für die größte Zahl, was nicht funktioniert weil man das Glück verschiedener Leute nicht addieren kann).

Allerdings ist das nicht so eindeutig. Wahrheit ist ein eigener Wert, Neugier (sagen wir mal Wahrheitsgeilheit) ein unabhängiges Gefühl, Wahrheitssucher haben einfach Vorteile in der Evolution, weil sie zwar auch eine Menge völlig unnützen Quatsch erfahren, und dafür eine Menge Zeit verschwenden, aber darunter halt doch das eine oder andere für sie sehr nützliche erfahren, was ihren Genen beim Weiterverbreiten hilft.

Und so gibt es halt auch den Wahrheitssucher. Für den sind die Voraussagen nichts weiter als eine Methode, die Wahrheit zu finden. Einfach weil ne Theorie die falsch ist oft genug daran erkannt werden kann, dass sie falsches Zeug voraussagt. Der Nutzen der Wahren Theorie ist für den Wahrheitssucher zweitrangig - die Wahre Theorie selbst ist das eigentlich Geile. Aber, nunja, was man halt nebenbei mitbekommt, kann man ja auch verwenden, warum denn nicht.

Aus der Atomtheorie kamen Atombomben und Atomkraftwerke. Ob auch der Theorie der Quarks auch nur irgendwas nützliches rauskommt? Keine Ahnung, interessiert eigentlich auch kein Schwein.
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