kafka hat geschrieben:Waldbär hat geschrieben:Finde ich als ausgesprochenen Gedanken geradezu unverschämt -
Was denn genau an dieser Aussage?
Das Unverschämte daran ist, dass man mir aufdietern will, wofür ich meine Kräfte gebrauche oder meinetwegen auch verschwende. Das ist allein mein Ding. Es ist Bettelei. Es ist vergleichbar mit dem Penner in der Fußgängerzone, der sich darüber entrüstet, dass ich ihm nichts gebe von dem, was ich mir
erarbeitet habe. Nicht, weil ich kein Mitleid hätte, sondern weil ich sehe, dass er nur ein Bettler sein
will und weiter nichts. Es kommt nichts zurück, es hilft nichts, es nützt nichts.
(Und jetzt bitte keine Diskussion über bemitleidenswerte Menschen, die "Platte" machen müssen oder sonstwelche Probleme haben, bei deren Lösung ich behilflich sein könnte. Mir geht es um das Prinzip des "in-der-Scheiße-sitzen-bleiben-wollens".)
kafka hat geschrieben:Du willst sagen, dass du nicht genug Kraft übrig hast, um Leuten, die sich auf andere Art und Weise engagieren, durch warme Worte Kraft zu spenden?
Nein, ich sage: hört auf meinen Rat und mit diesem Mist auf.
Ich habe hohen Respekt vor Engagement in persönlicher moralischer Unterstützung, wie es z. B. der PGB zu liefern sich bemüht (falls es so läuft, wie es sich mal dargestellt hat), oder auch vor dem, wie man sich hier bemüht, dieses Forum am Laufen zu halten. Wenn sich jemand daran hochzuziehen vermag, dann ist es fein. Das ist echte, persönliche Lebenshilfe. Kampf gegen "die Gesellschaft" oder gewisse Untugenden in jener ist hingegen überflüssig.
Sobald es dazu führt, dass derjenige, der sich engagiert, heruntergezogen wird, dann hat es nicht nur seinen Zweck verfehlt, sondern ist kontraproduktiv. Du hast dieses eine Leben, und du darfst das Beste daraus machen. Im Nebeneffekt kannst Du auch dadurch - nein,
nur dadurch - die Gesellschaft verändern: indem du ihr vorlebst, wie du sie gern haben würdest.
kafka hat geschrieben:Und hast damit diese Form des Engagements aufgegeben. Sag es doch so, wie es ist!
Ja, aber gerne doch! Deshalb schreie ich doch hier rum, und mache eigentlich genau das, was Kim mit seinem herzlichen Aufruf gerne eindämmen möchte.
Die Antwort passt zu dem, was Jonny in einem seiner jüngeren Threads fragte. Wieso ist hier nicht viel, viel mehr los? Weil die anderen keinen Bedarf haben! Die leben einfach zufrieden vor sich hin.
Was ist das für ein Kampf, der angeblich so fürchterlich viel Kraft erfordert? Wogegen, wofür? Wenn man es genau unter die Lupe nimmt, bleibt von dem großen Gespenst kaum was übrig. Die meisten, die kämpfen, kämpfen gegen sich selbst. Was wollen sie, was wollt Ihr? Gesetzesänderungen? Akzeptanz? Freier Geschlechtsverkehr querbeet? Einen Behindertenausweis? Ehe auf Zeit? Freiwilligendienst in der Kindertagesstätte? Persönliche Bodyguards am FKK-Strand auf Krankenkassenkosten?
Aber vielleicht auch nur etwas mehr Achtung. Dummerweise: man kann an "der Gesellschaft" ändern, soviel man will, es wird dem Kämpfer nichts nützen. Denn wer vorher ein Looser war, wird auch danach ein Looser sein. Wer vorher in seinen Persönlichkeitsstörungen rumsuchte, wird das auch hinterher tun. Wer vorher den Hass aller Menschen auf sich zog, dem wird das auch danach gelingen. Wer vorher ein Idiot war, wird danach auch nicht mehr sein als ein Idiot. Hat dann bloß nichts mehr, dem er die Schuld daran in die Schuhe schieben kann. Und der, der vorher als Pädo "zum Wrack gemacht" wurde, fällt dann einfach so in das allgemeine Grundrauschen der darwinistischen Prinzipien oder wie immer ein Zyniker das nennen würde.
Ja, ich erkenne an: Liebeskummer, der das Herz zerfrisst, der einen bis in den Suizid treiben kann. Aber das ist kein Pädoproblem allein. Hätte Shakespeare seinen Julia und Romeo nicht ein erhebliches Problem "mit der Gesellschaft" angedichtet, wäre das eine ziemlich belanglose Story geworden. Und wenn in Waziristan Frauen gesteinigt werden, weil sie eine außereheliche Beziehung haben, dann können "wir" uns noch entspannt zurücklehnen.
Und ich erkenne an: das für manchen mörderische Gefühl, allein zu sein. Aber auch das ist kein Pädoproblem an sich. Gibt auch andere, die allein und einsam sind. Und es gibt Pädos, die sich gut aufgehoben fühlen unter den Menschen.
Auszuschliessen ist, dass irgendeine Änderung in der "Gesellschaft" dazu führt, dass ein Pädo, der sich allein fühlte, das dann nicht mehr tut. Oder dass einer, der vorher Liebeskummer erdulden musste, dann plötzlich glücklich ist. Wird nicht vorkommen.
Ich hab' selbst mal so rumgejammert, ja. Ich bilde mir ein, in den letzten 10 Jahren ein bisschen gelernt zu haben. Z. B., dass das Leben schön und ausserordentlich lebenswert sein kann. Und dass das gar nicht so verdammt schwer zu haben ist, wie es hier manchmal dargestellt wird.
Warme Worte waren nicht gefragt, Kafka. Es war nach "Kraft" gefragt. Man solle, wenn man schon im selben Boot sitze, dann doch auch gefälligst mitrudern, das war der Appell. Nö. Nicht freiwillig beim Fliegenden Holländer anheuern. Nein danke.
Waldbär