Verständnis


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Geschrieben von Sakura am 02. März 2001 18:29:44:

Als Antwort auf: einmischende Nachfrage geschrieben von Muli am 02. März 2001 17:10:46:

Hallo Andreas und Korinna,

>Der Satz ist dieser:
>>... Aber wenn wir uns jetzt auf Ursachen fixieren, dann impliziert das immer eine Wertung, und da mache ich nicht mit....

Ja, in diesem Zusammenhang sehe ich tatsächlich in der Ursachenforschung auch den Versuch einer im Ganzen negativen Bewertung der Pädophilie.

>Ich bin vielmehr der Meinung, nur weil die Ursache von etwas vielleicht ein >Defizit war, muß es die Folge noch lange nicht sein. Zumal unsere >Persönlichkeit immer zu einem durchaus beachtenswerten Teil das Produkt vieler >Defizite wärend unserer Entwicklung ist.

Das könnte es in etwa treffen. Defizite sehe ich aber nur dort, wo ein Kind in einer Weise aufwächst, bzw. erzogen wird, die wesentliche Kind-spezifische Bedürfnisse missachtet. Das, was viele heute als Misshandlung oder gar einen emotionalen Missbrauch eines Kindes sehen, war/ist zu anderen Zeiten und in anderen Kulturen ganz normal. Wie sollen wir also ein Defizit beschreiben? Wir erkennen es doch NUR durch die willkürlich als negativ bewerteten Folgen wie z.B. eine nicht der Fortpflanzung dienende sexuelle Orientierung. Ich halte es also für einen logischen Zirkelschluss, wenn man hinter einer "negativen" Eigenschaft ein Defizit in der Kindheit sieht. Gefährlich wird es da, wo man diese angenommenen Ursachen später bei anderen Kindern durch eine entsprechend modifizierte Erziehung/Sozialisation zu vermeiden versucht.

>Vermutlich liegt hier also ein gigantisches Verständigungsproblem vor.

Könnte sein, aber so fürchterlich gigantisch ist das auch nicht: Ich habe immer noch nicht verdaut, dass du, Korinna, vorschlägst, Kinder so zu erziehen, dass aus ihnen keine Pädos werden (können). Und hier wird doch ganz deutlich, dass du diese Eigenschaft als eine zu vermeidende negativ bewertest. Das habe ich schon richtig verstanden.

>Wenn ich (und Korinna vermute ich ebenfalls) von einer defizitären Ursache >spreche, sage ich damit keiensfalls etwas über die Qualität der Folgen aus.
>Die bleiben in meinem Verständnis zunächst wertneutral, d.h. sie werden erst >dann gewertet, wenn sie selber zur Ursache einer Folge werden.

...und diese Folge muss dann als positiv oder negativ bewertet werden. Denken wir das mal von Anfang an durch: Eine "Folge" in diesem Sinne ist Pädophilie. Eine "Folge" dieser Eigenschaft kann wiederum alles zwischen einer harmonischen Liebesbeziehung und einer Vergewaltigung werden. Das heißt: Hat der Pädo ein von beiden Partnern als positiv empfundenes Liebesleben, ist die Pädophilie eine NICHT defizitäre Eigenschaft, im anderen Extremfall natürlich schon. In diesem Licht kann man wiederum die Erziehung als defizitär oder nicht einstufen. Das würde nach deiner Logik bedeuten, dass erst am Ende einer Kausalkette eine Aussage über gute oder schlechte Erziehung möglich ist.

Siehst du jetzt, warum ich mich gegen Bewertungen und sogar gegen die Etikettierung eines Phänomens als defizitär sträube?


Noch was zum Schluss: Die Lebensverhältnisse in den Industrieländern haben sich in den letzten Generationen radikal verändert. Die gesamte Erziehung und Sozialisation ist heute eine andere als um 1900. Ist das defizitär oder nicht? Ich wage hier mal eine Behauptung, mit allem Vorbehalt und offen für Korrekturen: Es sind doch gerade die Industrieländer ohne Kontinuität zu ihrer eigenen Vergangenheit, in denen Pädophilie auftritt. Vieles ist bequemer geworden, einiges aber auch gefährlicher - ein sicherer Leitfaden für den Umgang mit der eigenen Existenz ist nicht mehr vorhanden. Was früher lebenswichtig für eine stabile Bevölkerungsstruktur war, ist heute ein Haufen abgeschmackter Banalitäten: Religion wird zu Fundamentalismus, Heterosexualität zu brutaler Sentimentalität, Liebe zu gegenseitiger Ausbeutung. Nur die Worthülsen haben überdauert und man kann sicher sein, dass das was draufsteht, NICHT drin ist.
Aber der Hang zu einer Partnerschaft, einer sexuellen wohlgemerkt, in der auch die anderen emotionalen Bedürfnisse eines Erwchsenen aufgehoben sind, steckt in Jedem drin. Er kann in einer vollkommen umgekrempelten Umgebung, in der nichts mehr seine frühere Bedeutung hat, nur in einer völlig veränderten Weise ausgelebt werden.
Ich will/kann nicht Liebe vortäuschen durch die Imitation einer bürgerlichen Existenz, wie es die anderen tun - und damit meist kläglich scheitern, wie die Scheidungsquoten eindrucksvoll belegen, auch nicht auf die mechanische Nachäffung von Pornos in einer Swinger-Existenz reduzieren, sondern ich suche den _früheren_Inhalt_ des leeren Wortes dort, wo es die meisten eben nicht tun.
Pädophilie wird wohl nur deshalb so massiv verleumdet.

>War das eine Hilfe zum Verstehen? Ich hoffe es.

Das könnte ich jetzt auch fragen ;-)

Sakura





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